Berlin (epd). Der scheidende Direktor der Stiftung Topographie des Terrors in Berlin, Andreas Nachama, warnt die Deutschen vor Selbstzufriedenheit bei der Aufarbeitung ihrer Vergangenheit. Ob der Umgang mit der Vergangenheit zu jeder Zeit wirklich gelungen sei, "darf zumindest teilweise bezweifelt werden", sagte Nachama in Berlin dem Evangelischen Pressedienst (epd).
Es bleibe noch viel zu tun, sagte der Historiker: "Denken Sie nur einmal daran, wie lange es gedauert hat, bis die Auseinandersetzung mit den nationalsozialistischen "Euthanasie"-Morden endlich vorangekommen ist", sagte Nachama: "Erst im Jahr 2014 konnten wir hinter der Berliner Philharmonie den Gedenk- und Informationsort eröffnen." Die Anerkennung, die Deutschland aus dem Ausland für die Erinnerungsarbeit zuteilwerde, dürfe "kein Ruhekissen sein".
Der 68-jährige Historiker geht Ende des Jahres in den Ruhestand. Am Montag wird er mit einem Festakt im Berliner Abgeordnetenhaus verabschiedet. Nachama steht seit 1994 an der Spitze des Dokumentationszentrum über den nationalsozialistischen Terror. Seine Nachfolgerin wird die bisherige stellvertretende Leiterin der KZ-Gedenkstätte Dachau, Andrea Riedle.
Nachama betonte, es gebe viele Formen des Gedenkens. Die offizielle Erinnerungskultur mit ihren runden Jahrestagen werde mitunter als ritualisiert kritisiert, spiele aber eine wichtige Rolle. "Daneben gibt es aber auch viele andere Orte, an denen zu bestimmten Jahrestagen an historische Ereignisse erinnert wird, in Schulen, auf Friedhöfen, in Hunderten kleiner und dezentral über die ganze Republik verstreuten Erinnerungsorten", sagte Nachama.
Mit Blick auf das Dokumentationszentrum Topographie des Terrors auf dem Gelände des einstigen Hauptquartiers der Geheimen Staatspolizei (Gestapo) und der SS-Führung sagte er: "Hier kann man lernen, warum es so wichtig ist, dass sich polizeiliches Handeln unter der Kontrolle ordentlicher Gerichte vollziehen muss." Wichtig für ihn sei es, so Nachama, dass die Besucher erkennen, "dass das Eintreten für eine demokratische Gesellschaft aktive Mitwirkung erfordert. Es geht nur miteinander, nicht gegeneinander."
Die kostenlosen Ausstellungen des Dokumentationszentrums werden jährlich von mehr als einer Million Menschen besucht. "Der Schlüssel zu diesem Erfolg war das Konzept, am Ort der Täter einen Lernort zu etablieren", zeigte sich der Stiftungsdirektor überzeugt.