Berlin (epd). Das Bundesfinanzministerium hat einen Bericht des "Spiegel" vom Freitag zurückgewiesen, wonach Vereine durch eine Reform des Gemeinnützigkeitsrechts künftig in ihren politischen Aktivitäten beschnitten werden sollen. Ein Ministeriumssprecher sagte am Feitag dem Evangelischen Pressedienst (epd): "Die Meldung des 'Spiegel' ist falsch. Zielrichtung der Reform des Gemeinnützigkeitsrechts ist nicht eine 'Bestrafung' sondern der Schutz von Vereinen, die sich auch politisch engagieren."
Mit der geplanten Reform soll laut dem Sprecher klargestellt werden, dass eine gemeinnützige Tätigkeit mit politischen Mitteln begleitet werden könne, ohne dass dies negative Auswirkungen auf die Gemeinnützigkeit und die damit verbundene Steuerbegünstigung habe. Dadurch werde Rechtssicherheit für viele Vereine geschaffen. Ein Karnevalsverein, der sich etwa gegen einen Aufmarsch verfassungsfeindlicher Kräfte engagiert, werde zukünftig sicher sein, dass er seine Gemeinnützigkeit behalte, erklärte der Sprecher.
Das Nachrichtenmagazin "Der Spiegel" hatte berichtet, Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) plane Einschränkungen für politische Aktivitäten von Vereinen. Er wolle ihnen Steuervergünstigungen streichen, wenn sie sich allzu sehr in die Tagespolitik einmischen. Dazu sehe Scholz im Rahmen der Reform des Gemeinnützigkeitsrechts eine Ergänzung der Abgabenordnung vor, wonach Vereine zwar weiter steuerlich begünstigt werden sollen, wenn sie sich im Rahmen ihres Vereinszwecks politisch äußern - nicht aber, wenn sie sich in die politische Willensbildung einmischen.
Das Magazin hatte aus einem Entwurf zitiert, in dem es heiße, Vereine würden "auch dann noch" steuerlich begünstigt, "wenn eine gemeinnützige Tätigkeit mit politischen Mitteln begleitet wird". Im Umkehrschluss heiße das aber, Vereine dürften sich künftig politisch nur äußern, wenn es ihrem Vereinszweck dient, so der Bericht.
Unterdessen wurde am Freitag bekannt, dass erneut einem Verein aus politischen Gründen die Gemeinnützigkeit aberkannt wurde. Laut einer Entscheidung des Berliner Finanzamts für Körperschaften verliert die Bundesvereinigung der Verfolgten des Naziregimes - Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten (VVN-BdA) ihren Gemeinnützigkeitsstatus. Mit dem Bescheid von Anfang November seien Steuernachforderungen in fünfstelliger Höhe verbunden, die noch in diesem Jahr fällig würden, teilten die Bundesvorsitzenden Cornelia Kerth und Axel Holz mit. Damit sei die VVN-BdA in ihrer Existenz bedroht, hieß es.
Die VVN-BdA wurde 1947 von Überlebenden der Konzentrationslager und Gefängnisse gegründet und ist nach eigenen Angaben die größte Organisation von Antifaschisten in Deutschland. Der Bundesvorsitzende der Naturfreunde Deutschlands, Michael Müller, verurteilte den Beschluss der Berliner Finanzbehörden als "ein weiteres Alarmsignal für die demokratische Zivilgesellschaft". Die VVN-BdA sorge dafür, dass die Verbrechen des Nazi-Regimes nicht in Vergessenheit gerieten, erklärte Müller und forderte Bundestag und Bundesregierung auf, das Gemeinnützigkeitsrecht schnell neu zu ordnen.
Die Gemeinnützigkeit der VVN-BdA sowie der Organisationen Attac und Campact müsse wieder anerkannt werden, verlangte Müller. Die innenpolitische Sprecherin der Linksfraktion, Ulla Jelpke, die selbst Mitglied der VVN-BdA ist, sagte, es gebe kaum etwas Gemeinnützigeres als Antifaschismus.
Das Berliner Finanzamt hatte bereits im Oktober der Kampagnenplattform Campact den Status der Gemeinnützigkeit entzogen. Die Entscheidungen fußen auf einem Urteil des Bundesgerichtshofs gegen das globalisierungskritische Netzwerk Attac vom Februar.
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