Berlin (epd). Der Anteil der gewerkschaftlich organisierten Beschäftigten in den Industrieländern schrumpft laut einer Studie seit Jahrzehnten. Nach einer am Montag in Berlin vorgestellten Untersuchung der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) war 1975 jeder dritte Beschäftigte in den 36 OECD-Staaten (33 Prozent) in einer Gewerkschaft, 2018 waren es nur noch 16 Prozent. Deutschland (vormals 34,6 Prozent, nun 16,5 Prozent) folgt dabei dem allgemeinen Trend.
Auch arbeiten demnach immer weniger Menschen in Arbeitsverhältnissen mit Tarifbindung: OECD-weit waren es 2017 32 Prozent gegenüber 46 Prozent im Jahr 1985. In Deutschland sank ihr Anteil im gleichen Zeitraum von 85 auf 56 Prozent. Allerdings orientieren sich in Deutschland, wie in anderen Ländern auch, einige Unternehmen freiwillig an branchenüblichen Tarifverträgen.
Vor dem Hintergrund dieser Entwicklung und angesichts einer sich wandelnden Arbeitswelt mit immer neuen Beschäftigungsformen und Geschäftsmodellen empfiehlt die OECD, die Rolle von Tarifpartnerschaft und Mitsprache wieder zu stärken und dafür zu sorgen, dass alle Menschen unabhängig von der Art ihres Beschäftigungsverhältnisses davon profitieren. Denn Tarifbeziehungen und Arbeitnehmermitsprache hätten großen Einfluss auf die Beschäftigungsqualität.
Die OECD verweist ferner darauf, dass es für gute Arbeitsbedingungen besonders förderlich ist, wenn die formale Beteiligung der Beschäftigten durch direkten und vertrauensvollen Austausch mit Vorgesetzten und Arbeitgebern ergänzt wird. "Die Welt der Arbeit wandelt sich. Tarifpartnerschaft und Arbeitnehmermitsprache können Unternehmen wie auch Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern helfen, auf die demografischen und technologischen Herausforderungen der Zukunft zu reagieren", sagte Stefano Scarpetta, OECD-Direktor für Beschäftigung, Arbeit und Soziales.
Die OECD-Länder sollten sicherstellen, dass Tarifpartnerschaft und Mitsprache dazu genutzt werden, dass auch arbeitnehmerähnliche Erwerbstätige Zugang zu Tarifverhandlungen erhalten. Außerdem sei es wichtig, Scheinselbstständigkeit zu vermeiden. Auf neue Beschäftigungsformen "in der Grauzone zwischen abhängiger und selbstständiger Beschäftigung" sollte der Gesetzgeber reagieren.