Berlin, Potsdam (epd). Der Potsdamer Rechtsextremismus-Forscher Gideon Botsch sieht die Wurzeln des Wahlerfolgs der AfD im Osten auch in den dortigen "Baseballschlägerjahren" nach der Wiedervereinigung. Bei der Frage, warum im Osten so stark rechts gewählt werde, habe dieser Aspekt bislang viel zu wenig Beachtung gefunden, sagte der Leiter der Emil Julius Gumbel Forschungsstelle für Antisemitismus und Rechtsextremismus (EJGF) am Moses Mendelsohn Zentrum in Potsdam dem "Tagesspiegel" (Donnerstag). Die "jungen Springerstiefel-Träger von damals" seien nicht einfach verschwunden. "Sie sind immer noch da".
Sie seien älter geworden, berufstätig, hätten eine Familie gegründet, ein Haus gebaut, sagte Botsch. Nicht alle, die sich damals in der rechtsextremen Szene bewegt haben, seien Rechtsextremisten geblieben. "Aber bei so manchem, der in den späten 80ern und in den 90ern mit rechtsextremer und antisemitischer Propaganda in Berührung kam, blieb das hängen."
Die jungen Rechten von damals wählten heute nicht nur häufig AfD, die Partei werde mitgetragen von Leuten, die früher in der Neonazi-Szene aktiv waren, sagte Botsch. Viele dieser Personen, die sich zwischenzeitlich wegen staatlicher Repressionen und Präventionsprogramme zurückgezogen hätten, seien mittlerweile wieder aktiver. "Und bei Rechtsrockkonzerten sehen Sie heute ein Publikum, das mit der eigenen Jugendsubkultur gealtert ist", sagte Botsch. Unter dem Hashtag #baseballschlägerjahre berichten derzeit Menschen, was sie in den 1990er Jahren durch Neonazis erleiden mussten.