Hamburg (epd). Der ehemalige SS-Wachmann Bruno D. hat am Montag erstmals vor dem Hamburger Landgericht ausgesagt. Zu Beginn des dritten Verhandlungstages trug der 93-Jährige vor, es sei ihm ein großes Bedürfnis zu sagen, wie leid es ihm tue, was den Menschen im KZ Stutthof bei Danzig (heute Gdansk) angetan wurde. Er habe seinen Wehrdienst an so einem Ort des Grauens nicht freiwillig getan und habe keine Möglichkeit gehabt, den Gefangenen zu helfen. Die Bilder aus dem KZ hätten ihn sein Leben lang verfolgt.
Bruno D. ist der Beihilfe zum Mord in mehr als 5.230 Fällen angeklagt. Da er zur Tatzeit zwischen 17 und 18 Jahren alt war, findet das Verfahren vor einer Jugendstrafkammer des Landgerichts statt. Die Vorsitzende Richterin Anne Meier-Göring versuchte durch hartnäckige Fragen herauszufinden, welche Bilder D. aus dem KZ erinnert. "Wussten Sie damals, was im KZ Stutthof geschah, wer die Insassen waren und warum sie im Lager gefangen gehalten wurden?", fragte sie den Angeklagten.
"Ich wurde gezwungen", sagt Bruno D. Er habe nie Soldat werden wollen, sei aber eingezogen worden. Aufgrund einer Untauglichkeit sei er nicht an die Front geschickt, sondern in sechs Wochen zum Wachmann ausgebildet worden. Es habe ihn beschäftigt, wie ausgemergelt die Menschen aussahen. Er habe gewusst, dass dort Menschen waren, die gar nichts Kriminelles getan hatten. "Auch das hat mich natürlich beschäftigt", sagte der Greis kraftlos in ein Mikrofon. "Es war grausam, was man da gesehen hat."
Vieles habe er verdrängt, sagte Bruno D., der später Ehemann, Familienvater und gelernter Bäcker wurde. "Diese Grausamkeiten werden durch den Prozess jetzt wieder wachgerüttelt", sagte der 93-Jährige. Zu Beginn der Verhandlung hatte einer der Anwälte der Nebenkläger gefordert, dass sich die Beteiligten die heutige Gedenkstätte auf dem Gelände des ehemaligen KZ Stutthof zusammen ansehen.