Göttingen (epd). Angesichts der offenbar bevorstehenden türkischen Militäroffensive in Nordsyrien warnen Menschenrechtler vor der Vertreibung weiterer Kurden aus ihren traditionellen Siedlungsgebieten. "Wenn die Türkei mit Panzern aus deutscher Produktion in die Region einmarschiert, ist ein zweites Afrin zu befürchten", sagte der Direktor der Gesellschaft für bedrohte Völker, Ulrich Delius, am Montag in Göttingen: "Mit Hunderten Toten, Zehntausenden neuen Flüchtlingen und massiven Menschenrechtsverletzungen durch die türkische Armee."
Türkische Truppen hatten die mehrheitlich kurdische Stadt Afrin in Nordsyrien im Januar 2018 angegriffen. Im Zuge der "Operation Olivenzweig" seien bis zu 200.000 Menschen vertrieben worden, erklärte die Gesellschaft für bedrohte Völker. Der türkischen Armee und ihren Verbündeten würden zahlreiche Menschenrechtsverletzungen vorgeworfen.
Die USA hätten nun angekündigt, ihre Truppen aus Nordsyrien zurückzuziehen und die Türkei gewähren zu lassen. "Damit steht einer ethnischen Säuberung der Region nichts mehr im Weg", sagte Delius. Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan plane bereits, mehrere Millionen syrische Araber dort anzusiedeln, die vor dem Bürgerkrieg in die Türkei geflüchtet waren. Ein Kurdengebiet in Nordsyrien werde es dann nicht mehr geben.
Delius fügte hinzu, bei einem Angriff auf Nordsyrien bestehe zudem die Gefahr, dass die dort inhaftierten IS-Kämpfer freikämen und die Region weiter destabilisierten. Kurdische Milizen hatten die Terrormiliz "Islamischer Staat" (IS) mit westlicher Unterstützung besiegt und Tausende Kämpfer und ihre Familien gefangengenommen. Es sei nun an der europäischen, vor allem der deutschen Politik, mäßigend auf die Türkei einzuwirken und das Schlimmste zu verhindern, betonte Delius.