Steinmeier bittet bei Weltkriegsgedenken in Polen um Vergebung

Steinmeier bittet bei Weltkriegsgedenken in Polen um Vergebung

Wielun (epd). Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hat 80 Jahre nach Beginn des Zweiten Weltkrieges im polnischen Wielun um Vergebung gebeten. "Ich verneige mich vor den polnischen Opfern der deutschen Gewaltherrschaft", sagte er am frühen Sonntagmorgen, dem Jahrestag des deutschen Überfalls auf das östliche Nachbarland, auf dem Wieluner Marktplatz. Die rund 100 Kilometer südwestlich von Lodz gelegene Stadt war Ziel des ersten Angriffs deutscher Bomber.

Deutschland nehme die Verantwortung an, "die unsere Geschichte uns aufgibt", sagte Steinmeier: "Wir wollen und wir werden uns erinnern."

Auf Wielun hatte die deutsche Luftwaffe nahezu zeitgleich zu den ersten Gefechten auf der Halbinsel Westerplatte bei Danzig am frühen Morgen des 1. September 1939 ab 4.40 Uhr mehrere Angriffe geflogen. Von den rund 15.000 Einwohnern kamen an diesem Tag mindestens 1.000 Frauen, Männer und Kinder ums Leben.

Während als historischer Gedenkort in den vergangenen Jahren vor allem die Westerplatte im Mittelpunkt stand, lenkten der polnische Präsident Andrzej Duda und sein deutscher Amtskollege Steinmeier in diesem Jahr den Blick auf die Stadt Wielun. "Wielun muss in unseren Köpfen und in unseren Herzen sein", sagte Steinmeier vor mehreren tausend Menschen, die sich noch vor Sonnenaufgang im Stadtzentrum versammelt hatten. Einige hatten Kerzen dabei, zu Beginn der Gedenkfeier gellten Alarmsignale und riefen die Erinnerung an den Angriff wach. "Wielun war ein Fanal, ein Terrorangriff der deutschen Luftwaffe und ein Vorzeichen für alles, was in den kommenden sechs Jahren folgen sollte", sagte Steinmeier.

Auch Duda sprach von einem Terrorangriff und schilderte die Gräuel des Bombardements, das die Zivilbevölkerung traf und unter anderem ein Krankenhaus zum Ziel hatte. "Der Zweite Weltkrieg war ein großes Verbrechen", betonte der polnische Präsident. In persönlich an Steinmeier gerichtete Worte dankte Duda, dass dieser sich der Wahrheit stelle: "Diese Wahrheit kann Vergebung geben und helfen, Freundschaft zu schließen."

"Der Zweite Weltkrieg hat die Welt vernichtet", sagte Duda. Auch wenn es keine Zeitzeugen mehr gebe, müsse man sich daran erinnern.

Nach der Gedenkfeier auf dem Marktplatz in Wielun, einer Kranzniederlegung sowie Treffen mit Zeitzeugen reisen Duda und Steinmeier am Vormittag weiter in die Hauptstadt Warschau, wo eine Gedenkfeier mit weiteren Staats- und Regierungschefs stattfindet. Aus den USA wird Vizepräsident Mike Pence erwartet. Auch Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) fliegt nach Warschau.

Schätzungen zufolge starben durch den mit dem deutschen Überfall auf Polen ausgelösten Zweiten Weltkrieg zwischen 1939 und 1945 rund 60 Millionen Menschen.