Berlin (epd). Mit einer Gedenkveranstaltung ist am Freitag in der Berliner Philharmonie an die rund 300.000 Opfer der nationalsozialistischen Patientenmorde erinnert worden. Der Behindertenbeauftragte der Bundesregierung, Jürgen Dusel, sprach von einem Menschheitsverbrechen, das nicht vergessen werde dürfe. Er forderte dazu auf, nicht wegzuschauen, wenn heute Bevölkerungsgruppen verächtlicht gemacht und an den Rand gedrängt werden. Demokratie brauche Inklusion, betonte der Behindertenbeauftragte.
Anlass für das Gedenken war das fünfjährige Bestehen des Gedenk- und Informationsortes neben der Philharmonie für die Patienten aus Heil- und Pflegeanstalten sowie "rassisch" und sozial unerwünschten Menschen, die zwischen 1939 und 1945 im Deutschen Reich und im deutsch besetzten Europa als "lebensunwert" getötet wurden. Die Planungs- und Verwaltungszentrale des sogenannten Euthanasie-Programms der Nazis befand sich ab April 1940 in der Tiergartenstraße 4, wo heute die Berliner Philharmonie steht. Nach dem Standort wurde das Programm "Aktion T4" genannt. Hier organisierten Ärzte und Verwaltungspersonal die Erfassung und Selektion der Patienten sowie deren Transport in sechs eigens dafür eingerichtete Gasmordanstalten im Deutschen Reich.
Berlins Kultursenator Klaus Lederer (Linke) erinnerte daran, dass das NS-"Euthanasie"-Programm das erste systematische Massenverbrechen des NS-Regimes war: "Hier haben die Nazis ausgetestet, wie weit sie gehen können." Denn sechs Wochen nach dem deutschen Angriff auf Polen am 1. September 1939 und dem Beginn des Zweiten Weltkrieges seien die ersten Patienten in Polen durch Giftgas ermordet worden. Eine entsprechende Anordnung zur Ausrottung "lebensunwerten Lebens" von Adolf Hitler war auf den 1. September zurückdatiert worden.
Der Mediziner und Psychiater Michael von Cranach bezeichnete es als besonders grausam, dass gerade die Elite der deutschen Ärzteschaft und Leiter der Anstalten der Patiententötungen zugestimmt hätten. Dies sei geschehen, ohne dass Druck auf sie ausgeübt wurde. "Wer sich weigerte, dem ist nichts passiert", sagte Cranach.