Bergmann: Vermisse den Stolz der Ost-Frauen auf ihre Leistungen

Die frühere Bundesfamilienministerin Christine Bergmann
© epd-bild/Juergen Blume
"Die ostdeutschen Frauen haben erheblich dazu beigetragen, dass sich das Frauen- und Familienbild modernisiert hat" sagt die frühere Bundesfamilienministerin Christine Bergmann.
Bergmann: Vermisse den Stolz der Ost-Frauen auf ihre Leistungen
29.08.2019
epd
epd-Gespräch: Bettina Markmeyer

Berlin (epd). Die frühere Bundesfamilienministerin Christine Bergmann (SPD) sieht die Leistungen ostdeutscher Frauen nicht genug gewürdigt. Bergmann sagte im Gespräch mit dem Evangelischen Pressedienst (epd), die Erfahrungen ostdeutscher Frauen kämen nicht vor, wenn über die Geschichte der Frauenpolitik gesprochen und geschrieben werde. Dabei hätten sie "erheblich dazu beigetragen, dass sich das Frauen- und Familienbild modernisiert hat", sagte Bergmann, die am 7. September 80 Jahre alt wird.

Im Rückblick auf die friedliche Revolution und die Maueröffnung vor 30 Jahren erinnerte Bergmann an die unterschiedlichen Lebenswelten der Frauen. In der DDR seien 90 Prozent der Mütter erwerbstätig gewesen. "Die Frauen im Osten haben ihre ökonomische Unabhängigkeit sehr schätzen gelernt", sagte Bergmann, die in Dresden geboren wurde, selbst zwei Kinder hat und Apothekerin war, bis sie 1990 in Berlin in die Politik ging. "Die selbstverständliche Akzeptanz der Erwerbsarbeit von Müttern, das ist schon ein Gleichstellungsvorsprung", sagte Bergmann. Das habe sie im Verlauf ihrer Karriere als Politikerin immer wieder festgestellt.

Die Berufstätigkeit bringe häufig auch einen gewissen Pragmatismus und eine sachliche Herangehensweise an Aufgaben und Probleme mit sich. Die Frauen im Osten hätten viel geleistet nach der friedlichen Revolution, sagte Bergmann. Sie hätten sich ständig neu qualifizieren müssen, Existenzen gegründet und sehen müssen, wie es für sie weitergehe: "Das sind doch Leistungen, auf die man eigentlich stolz sein müsste - das vermisse ich."

Den Frauen, die Beruf und Familie verbinden, riet Bergmann, sich kein allzu schlechtes Gewissen einreden zu lassen. "Mütter haben immer ein schlechtes Gewissen, weil die Zeit nie reicht", sagte sie: "Aber damit muss man auch lernen umzugehen." Für Kinder seien zufriedene Mütter das Beste. Und das seien nicht immer die, die rund um die Uhr Zeit für die Kinder hätten, sondern die, sie einen Teil des Lebens für sich selbst in Anspruch nähmen, sagte Bergmann: "Das war unsere Erfahrung."

Christine Bergmann war in der rot-grünen Regierung unter Kanzler Gerhard Schröder (SPD) von 1998 bis 2002 Bundesfamilienministerin und in den Jahren zuvor Senatorin für Arbeit, Frauen und Bildung in Berlin. Nach dem Bekanntwerden der Missbrauchsskandale in der katholischen Kirche und anderen Institutionen erwarb sie sich als erste Missbrauchsbeauftragte der Bundesregierung breite Anerkennung.