Rabbiner: Christlich-Jüdischen Dialog nicht den Kirchen überlassen

Rabbiner: Christlich-Jüdischen Dialog nicht den Kirchen überlassen
09.08.2019
epd
epd-Gespräch: Franziska Hein

Frankfurt a.M. (epd). Nach umstrittenen Äußerungen eines evangelischen Bischofs über Israel hat der Berliner Rabbiner Andreas Nachama gefordert, den christlich-jüdischen Dialog nicht den Kirchen zu überlassen. "Es ist geradezu so, als gäbe es die letzten Jahrzehnte des jüdisch-christlichen Dialogs nicht", sagte Nachama dem Evangelischen Pressedienst (epd) am Freitag. Er ist der jüdische Präsident des Deutschen Koordinierungsrates der Gesellschaften für christlich-jüdische Zusammenarbeit, der im Herbst sein 70-jähriges Bestehen feiert.

Der Greifswalder Bischof Hans-Jürgen Abromeit hatte sich vergangene Woche in einem Vortrag kritisch über eine angebliche "Überidentifikation" deutscher Politiker mit dem Staat Israel geäußert. Daraufhin hatten Politiker ihm Antisemitismus vorgeworfen. "Die judenfeindlichen Äußerungen kommen von Amtsträgern, die dort weitermachen, wo viele glaubten, man habe nach der Schoa neu begonnen", schrieb Nachama auch in einem Gastbeitrag in der "Jüdischen Allgemeinen" (Freitag). Die evangelische Nordkirche hatte sich von den Äußerungen distanziert und von einer Privatmeinung des Bischofs gesprochen.

Abromeit befindet sich in einer alten christlichen Tradition. "Das ist ein Protestantismus, der eigentlich in den vergangenen sechs Jahrzehnten schon ein Stück vorangekommen ist", sagte der Rabbiner, der auch Vorsitzender der Allgemeinen Rabbinerkonferenz ist. Als Pfarrer sei eine solche Äußerung niemals privat, sagte Nachama. "Die Nordkirche hätte auch die Möglichkeit gehabt, disziplinarisch einzugreifen, stattdessen gab es nur ein halbherziges Dementi."

Kritik an Israel sei möglich, wenn sie nicht die Grenze zum Antisemitismus überschreite, betonte Nachama. Kritik an der Politik des israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu und dessen Ministern sei legitim. "Kritik an 'den Israelis' ist eine Verallgemeinerung, schürt Vorurteile und hat oft einen antisemitischen Kern", sagte Nachama. Vorurteile würden oft weitertransportiert.

Er sei davon überzeugt, dass der Dialog mit den Kirchen ohne die Gesellschaften für christlich-jüdische Zusammenarbeit nicht so weit gekommen wäre. "Dieser Dialog zwischen Juden und Christen, so wie wir ihn als Bürger machen, ist extrem wichtig", sagte der Rabbiner. Aber: "Es gibt eine Judenfeindschaft, die über Jahrhunderte gewachsen ist, die wird man in sieben Jahrzehnten nicht einfach abstellen. Es ist nicht nur für diese sondern auch für die nächste Generation eine Aufgabe."