Kiel (epd). Der Kieler Rechtswissenschaftler Uwe Jenisch plädiert für eine Modernisierung der Seenotrettung und des Seerechts. "Eine Weiterentwicklung wäre durchaus nötig", sagte Jenisch dem Evangelischer Pressedienst (epd). Die Verpflichtung der Staaten, Seenotrettung in den sogenannten SAR-Zonen für Sicherheit und Rettung einzurichten, sei ursprünglich für normale Seenotfälle entwickelt worden. "Die Rettungsdienste sind nicht konstruiert, um Migrationsströme zur See in den Griff zu bekommen", sagte Jenisch. "Das ist Neuland."
Um das Seerecht zu reformieren regte er eine internationale Seerechtskonferenz an. Die Ergebnisse daraus könnten die Vereinten Nationen aufgreifen, die EU könnten daraus Hinweise für neue Verordnungen und Richtlinien entwickeln. Dabei müsse neu gedacht werden: "Die Schnittstellen der Seenotrettung zum Flüchtlings- und Asylrecht, zu den Menschenrechten und zu Organisationen der Küstenwachen wären ebenso weiterzuentwickeln wie insbesondere die regionale Zusammenarbeit der Staaten auf See."
Jenisch unterstrich, Seenotrettung sei eine Staatspflicht. Dem kämen Malta, Italien und auch die Deutsche Marine nach. Die zivilen Rettungsorganisationen argumentierten hingegen, sie retteten Leben, wo die staatliche Seenotrettung unzulänglich oder überfordert sei. "Das ist von der humanitären Seite her nachvollziehbar. Und auch rechtlich ist das in Ordnung", sagte Jenisch.
Verständnis zeigte Jenisch für die Entscheidung der "Sea-Watch 3"-Kapitänin Carola Rackete, unerlaubt in den italienischen Hafen von Lampedusa einzufahren. Das Nothafenrecht, auf das sich Rackete bezog, gebe es im Völkerrecht. "Deshalb müssen Staaten Notliegeplätze bereit halten." Komme es zu einer Gerichtsverhandlung in Italien gegen Rackete werde sicher geprüft, ob der Notfall tatsächlich vorlag.