Berlin (epd). Eritreer, die zu ihren Angehörigen nach Deutschland wollen, scheitern in fast zwei Drittel der Fälle mit einem Antrag auf Familienzusammenführung. 2018 wurden nur in 36,5 Prozent der Fälle Visa für den Nachzug zu anerkannten Flüchtlingen aus Eritrea erteilt, wie aus einer Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage der Linken im Bundestag hervorgeht, die dem Evangelischen Pressedienst (epd) vorliegt. Im ersten Quartal 2019 lag die Quote bei knapp 37 Prozent, wobei das Auswärtige Amt darauf verweist, dass sie wegen der geringen Fallzahlen nicht repräsentativ sei.
2018 wurden den Angaben zufolge in den dafür relevanten deutschen Botschaften in Addis Abeba, Khartum und Nairobi 634 Visa für den Familiennachzug zu Eritreern in Deutschland erteilt. Dem standen 1.120 Ablehnungen gegenüber. Elf Anträge wurden zurückgezogen. Von Januar bis März dieses Jahres wurden 140 Visa erteilt, 238 Anträge abgelehnt und vier zurückgezogen. 2017 wurde noch fast jeder zweite Antrag genehmigt. Die Quote lag damals den Angaben zufolge bei 48,5 Prozent.
Das Auswärtige Amt begründet die hohe Zahl der Ablehnung mit fehlenden Dokumenten. In einer Vielzahl der Fälle stehe eine Ablehnung "im Zusammenhang mit der Nichtvorlage von anspruchsbegründenden Unterlagen", heißt es in der Antwort.
Die Linke schreibt in ihrer Anfrage, dass Eritreer Schwierigkeiten bei der Beschaffung der Dokumente hätten. In Eritrea verbliebene Angehörige von Flüchtlingen, die inzwischen in Deutschland leben, müssten mit Repressalien, Geldbußen oder sogar Haftstrafen rechnen.
"Indem die deutschen Behörden Dokumente verlangen, die die in Deutschland lebenden Flüchtlinge und ihre Angehörigen beim besten Willen nicht beschaffen können, schaffen sie einen Vorwand, um reihenweise Anträge ablehnen zu können", kritisierte die Bundestagsabgeordnete Ulla Jelpke (Linke). Es sei ein "Unding, dass von anerkannten eritreischen Flüchtlingen erwartet wird, dass sie sich an ihren Verfolgerstaat wenden, um ihre Ehe nachregistrieren zu lassen oder anderweitige Papiere zu beschaffen". Nach der Genfer Flüchtlingskonvention anerkannte Schutzsuchende haben ein Recht auf das Nachholen ihrer Kernfamilie, also Ehegatten, Eltern oder minderjährige Kinder.
Kritisch sieht die Linke auch die langen Wartezeiten in den Botschaften, bis der Antrag auf Familienzusammenführung überhaupt bearbeitet wird. Nach Angaben des Auswärtigen Amts standen im Juni in den drei Botschaften fast 6.000 Personen auf den Terminlisten, die meisten davon in Kenias Hauptstadt Nairobi (rund 3.400). Die Wartezeit beträgt demzufolge in Addis Abeba in Äthiopien 30 Wochen, in Nairobi mindestens 18 Monate. Die Visastelle im sudanesischen Khartum sei derzeit wegen der Sicherheitslage im Land geschlossen.
Dokumente, die von deutschen Behörden nicht anerkannt werden, machen auch Somaliern das Leben schwer - selbst hierzulande und in zweiter Generation. Deutschland erkennt seit 1991 keine somalischen Pässe mehr an. Die Betroffenen bekommen den Akteneintrag "ungeklärte Identität" - eine Einbürgerung ist damit ausgeschlossen. Betroffen sind auch Kinder, selbst wenn sie in Deutschland geboren wurden, wie aus der Antwort des Bundesinnenministeriums auf eine Kleine Anfrage der Linken hervorgeht.
Seit April stellt die somalische Botschaft in Berlin wieder Pässe aus. Doch eine schriftlichen Frage der Abgeordneten Jelpke von diesem Monat beantwortete das Auswärtigen Amt mit dem Hinweis, dass auch diese Reisepässe "nicht für die Einreise und den Aufenthalt in Deutschland anerkannt" sind. Aber: Die seit 2013 ausgestellten biometrischen somalischen Pässe würden "für die Ausreise anerkannt".
Jelpke kritisierte, dass die Pässe für die Abschiebung genügten, nicht aber als Identitätsnachweis anerkannt würden. Dies zeige einmal mehr die Prioritäten dieser Bundesregierung: "Unter Druck setzen, schikanieren und abschieben." In Deutschland lebten Ende Juni 2018 knapp 41.000 somalische Staatsbürger. Gut die Hälfte von ihnen hatte einen rechtmäßigen Aufenthaltsstatus.
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