Bund will Förderung strukturschwacher Regionen neu ausrichten

Bund will Förderung strukturschwacher Regionen neu ausrichten
Kabinett beschließt Zwölf-Punkte-Plan - Kommunalverbände skeptisch
Die Bundesregierung will es sich zur Aufgabe machen, die Lebensverhältnisse stärker anzugleichen. Benachteiligte Regionen im ganzen Land sollen künftig gefördert werden, egal ob in Ost oder West, in Ballungsgebieten oder in dünn besiedelten Regionen.

Berlin (epd). Der Bund will in den kommenden Jahren die Förderung strukturschwacher Regionen umstellen, so dass Fördermittel nicht mehr vorrangig in den Osten fließen. Das Bundeskabinett beschloss am Mittwoch einen Zwölf-Punkte-Plan, den Innen- und Heimatminister Horst Seehofer (CSU), Landwirtschaftsministerin Julia Klöckner (CDU) und Familienministerin Franziska Giffey (SPD) anschließend erläuterten. Kommunalverbände kritisierten, die Pläne seien nicht konkret genug. Eine Studie von Wirtschaftsforschern kommt zu dem Schluss, dass Zuwanderung das Wohlstandsgefälle noch vergrößern könnte.

Der Vorhaben-Plan des Bundes basiert auf Ergebnissen der Kommission "Gleichwertige Lebensverhältnisse". Dem Bericht zufolge ist die Kluft zwischen prosperierenden und wirtschaftlich schwachen Regionen erheblich. Das zeigt sich bei der Erreichbarkeit von Ärzten, Schulen, Einkaufsmöglichkeiten und Krankenhäusern, im Nahverkehr sowie beim Haushaltseinkommen, das im gesamten Osten und äußersten Westen niedriger ist als im Rest der Republik.

Struktur- und Förderpolitik könne sehr viel dazu beitragen, die Lebensverhältnisse anzugleichen, sagte Seehofer. Das dauere aber und werde in den kommenden zehn Jahren zweistellige Milliardenbeträge erfordern. Die Unterstützung, die bisher primär in den Osten geht, soll nach dem Auslaufen des Solidarpakts II zum Ende des Jahres auf ein gesamtdeutsches Konzept umgestellt werden. Seehofer sagte: "Wir fördern künftig nicht mehr nach Himmelsrichtungen, sondern nach dem Bedarf."

Die Wirtschaftsförderung und Verbesserungen im Schienen- und Nahverkehr sollen künftig auf strukturschwache Räume konzentriert werden. Damit sollen der Wegzug junger Menschen gebremst und der Überalterung entgegengewirkt werden. Der Bund will mehr Behörden und Forschungseinrichtungen jenseits der Ballungsräume ansiedeln.

Er ist auch bereit, sich einmalig an der Entschuldung von Kommunen zu beteiligen, sofern darüber ein Einvernehmen erzielt wird. Seehofer stellte aber klar, dass der Bund nicht einfach die Altschulden von Kommunen übernehmen werde. Man wolle mit Ländern und Kommunen reden. Schnelles Internet und die Förderung des Ehrenamts in ländlichen Regionen stehen ebenfalls auf dem Zwölf-Punkte-Plan des Bundes.

Familienministerin Giffey sprach von "einer Art Solidarpakt III". Der Osten werde weiterhin stark gefördert, es gebe aber auch im Westen Regionen, die unterstützt werden müssten. Der Präsident des Deutschen Städtetags und Leipziger Oberbürgermeister Burkhard Jung (SPD) begrüßte ein gesamtdeutsches Fördersystem. Es werde "keine Wunder bewirken", schwachen Kommunen aber helfen. Er forderte den Bund auf zu sagen, welche Finanzmittel er zusätzlich zur Verfügung stellen wolle.

Der Deutsche Landkreistag kritisierte den Kabinettsbeschluss wegen der fehlenden Finanzierungszusagen. Der Präsident Reinhard Sager (CDU) erklärte, die Landkreise erwarteten einen konkreten Fahrplan, der mit Geld unterlegt sein müsse. Auf dem Land werde man zudem nicht verstehen, warum überschuldete Städte vom Bund Hilfe erhalten sollten. Das sei Aufgabe der Bundesländer.

Die Kommission "Gleichwertige Lebensverhältnisse" unter dem Vorsitz des Innenministeriums war vor einem Jahr eingerichtet worden. Ihr gehörten Vertreter des Bundes, aller Bundesländer und die kommunalen Spitzenverbände an. Länder- und Kommunalvertreter waren an den Beschlüssen des Bundes laut Jung nicht beteiligt.

Das Institut der Deutschen Wirtschaft in Köln (IW) kommt unterdessen zu dem Schluss, dass die Zuwanderung gegenwärtig das Wohlstandsgefälle noch verstärkt und die Politik versuchen müsse gegenzusteuern. Einer Studie zufolge, über die das "RedaktionsNetzwerk Deutschland" berichtete (Mittwoch), gelang es gerade den strukturschwachen Regionen in den Jahren 2013 bis 2017 nicht, durch Zuwanderer der Überalterung entgegenzuwirken. Das gelte besonders für Ostdeutschland und Nordbayern.

Gut in den Arbeitsmarkt integrierbare Zuwanderer zögen dagegen am liebsten in die ohnehin wirtschaftsstarken Ballungsräume, so die IW-Studie, während strukturschwache Städte im Norden und Westen der Republik besonders viele Geflüchtete aufgenommen hätten, die staatliche Unterstützung benötigen.