Köln (epd). Die katholische Kirche verzichtet auf eine Verfassungsbeschwerde im sogenannten Chefarzt-Fall. Das Erzbistum Köln habe die jetzt vorliegenden schriftlichen Urteilsgründe des Bundesarbeitsgerichts zu dessen Urteil vom 20. Februar zum kirchlichen Arbeitsrecht eingehend geprüft und sei zu dem Schluss gekommen, "dass eine erneute Überprüfung des zugrundeliegenden konkreten Sachverhalts durch das Bundesverfassungsgericht nicht angestrebt werden soll", teilte das Erzbistum am Dienstag in Köln mit.
Der konkrete Fall habe aktuell keine arbeitsrechtliche Relevanz mehr, da er nach heute geltendem kirchlichen Arbeitsrecht anders zu beurteilen wäre, begründete das Erzbistum seinen Verzicht einer Prüfung des Urteils des Erfurter Bundesarbeitsgerichts vor dem Karlsruher Bundesverfassungsgericht. Die damals zugrundeliegende kirchengesetzliche Kündigungsregel aus dem Jahr 1993 sei im Jahr 2015 grundlegend geändert worden.
2009 war einem Chefarzt des katholischen St. Vinzenz-Krankenhauses in Düsseldorf wegen Wiederheirat gekündigt worden. Das Bundesarbeitsgericht urteilte im Februar dieses Jahres, dass die Kündigung des Chefarztes in diesem Fall rechtswidrig war. (AZ: 2 AZR 746/14) Der Mediziner hatte in seinem Arbeitsvertrag erklärt, sich an die katholische Glaubens- und Sittenlehre zu halten. Diese beinhaltet auch die "heilige und unauflösliche Ehe". In der katholischen Grundordnung des kirchlichen Dienstes aus dem Jahr 1993 war festgelegt, dass im Fall einer Wiederheirat der leitende katholische Mitarbeiter gekündigt werden müsse. Mitarbeiter anderer Religionen hatten dies nicht zu befürchten.
Als sich der Chefarzt 2005 von seiner katholisch angetrauten Frau scheiden ließ und 2008 seine neue Lebensgefährtin standesamtlich heiratete, wurde er entlassen. Im September 2011 erklärte das Bundesarbeitsarbeitsgericht die Kündigung für unwirksam, da der Chefarzt im Verhältnis zu Kollegen mit anderer Religionszugehörigkeit ungleich behandelt werde. Das Bundesverfassungsgericht hob dieses Urteil 2014 jedoch auf. Das im Grundgesetz geschützte Selbstbestimmungsrecht der Kirche erlaube es, eigene Mitglieder schärfer zu sanktionieren als Nichtmitglieder.
Das Bundesarbeitsgericht legte den Fall dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) vor. Die Luxemburger Richter erklärten, dass kirchliche Arbeitgeber die Einhaltung kirchlicher Glaubensgrundsätze nur dann verlangen dürfen, wenn dies für die konkrete Tätigkeit "wesentlich und gerechtfertigt" sei. Dies setzte das Bundesarbeitsgerichts nun in seinem Urteil vom Februar um: Die Kündigung des Chefarztes sei nicht durch Gründe im Verhalten oder in der Person des Klägers sozial gerechtfertigt. Die Vorschrift in der Grundordnung zur Wiederverheiratung sei unwirksam. Eine Loyalitätspflicht sei damit nicht verletzt worden.