Genf (epd). Der Menschenrechtsrat hat über die Ermordung des saudischen Journalisten Jamal Khashoggi debattiert. Die UN-Expertin Agnès Callamard forderte bei der Sitzung am Mittwoch in Genf unabhängige Ermittlungen gegen den saudischen Kronprinzen Mohammed bin Salman. Es gebe stichhaltige Beweise dafür, dass der Thronfolger für den Mord an dem regierungskritischen Journalisten Verantwortung trage, sagte Callamard, die UN-Sonderberichterstatterin für außergerichtliche Hinrichtungen. Der saudiarabische Botschafter im Menschenrechtsrat wies die Vorwürfe zurück.
Er warf Callamard vor, ihre Kompetenzen überschritten zu haben. Ihr Bericht beruhe auf Vorurteilen und unzuverlässigen Quellen. Die Bemühungen Saudi-Arabiens zur Aufklärung habe sie dagegen nicht zur Kenntnis genommen. Das Land sei nicht bereit, die Ermittlungen im Fall Khashoggi aus den Händen der saudischen Justiz an eine internationale Instanz zu übergeben.
Callmard erklärte, alle Beweise wiesen auf die Schuld des Staates Saudi-Arabien für den Mord hin. Dieser habe damit mehrfach gegen Völkerrecht verstoßen. Alle Staaten seien aufgerufen, diese Verstöße juristisch und durch die Verhängung von Sanktionen zu ahnden. Ein Vertreter Deutschlands verurteilte die Tat im Menschenrechtsrat und forderte eine unabhängige Aufklärung. Ob diese durch die UN erfolgen soll, ließ er offen.
Callamard nannte es offensichtlich, dass die Ermordung Khashoggis eine komplizierte Operation gewesen sein, für die erhebliche finanzielle und personelle Ressourcen nötig gewesen seien. Nur mit Unterstützung hochrangiger Staatsvertreter sei es denkbar, dass 15 saudische Agenten den Mord im saudischen Konsulat in Istanbul ausgeführt hätten.
In ihrem Bericht fordert Callamard eine Untersuchung durch die Vereinten Nationen und Sanktionen unter anderen gegen Kronprinz Salman. Zudem kritisiert sie die bisherigen Untersuchungen durch saudische und türkische Behörden als unzureichend. Saudische Ermittler hätten gezielt Spuren am Tatort vernichtet. Auf ihre wiederholten Anfragen, für ihre Untersuchung nach Saudi-Arabien zu reisen, habe die Regierung nie reagiert.
Callamard zufolge verletzt die Tat Kerngrundsätze der Vereinten Nationen, darunter das Recht auf Leben und das Recht auf freie Meinungsäußerung. Damit sei der Mord ein Angriff auf die ganze Weltgemeinschaft. Vermutlich hätten die Verantwortlichen auch gegen die Anti-Folter-Konvention sowie das Wiener Übereinkommen über diplomatische Beziehungen verstoßen.
Unterstützung erhielt die UN-Sonderermittlerin am Mittwoch von der Verlobten Khashoggis, der Türkin Hatice Cengiz. Sie rief alle Staaten auf, Sanktionen gegen Saudi-Arabien zu verhängen, um Druck für eine Untersuchung aufzubauen.
Khashoggi, der im Exil in den USA lebte, war am 2. Oktober 2018 in das Istanbuler Konsulat seines Heimatlandes gegangen, um dort Papiere für seine geplante Hochzeit mit Cengiz abzuholen. Saudi-Arabien räumte später ein, dass Khashoggi dort getötet wurde. Die Regierung bestreitet aber eine Verwicklung von Kronprinz Mohammed bin Salman.
Umstritten ist, wer eine UN-Untersuchung anordnen könnte. Callamard rief am Mittwoch die Mitglieder des Menschenrechtsrats auf, UN-Generalsekretär António Guterres damit zu beauftragen. Es reiche aus, wenn nur ein einziger UN-Mitgliedsstaat einen entsprechenden Antrag stelle. Ein Sprecher von Guterres hatte zuvor auf die Notwendigkeit eines Auftrags durch einen Staat oder ein UN-Gremium verwiesen.
Callamard rief den Menschenrechtsrat auf, eine schnelle Eingreiftruppe aus UN-Experten wie ihr zusammenzustellen, die bei Ermordungen von Journalisten, Menschenrechtlern oder Regierungskritikern umgehend handeln könne.