Berlin, Minden (epd). Menschen, die für syrische Flüchtlinge gebürgt haben, werden nun auch von kommunalen Sozialämtern in der Regel nicht mehr zur Kasse gebeten. Das geht aus einem Schreiben des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales an die Sozialministerien der Bundesländer hervor, das dem Evangelischen Pressedienst (epd) vorliegt. Im März hatte die Bundesagentur für Arbeit die Jobcenter angewiesen, von Forderungen abzusehen. Für die kommunalen Sozialämter stand eine Lösung bislang noch aus. Flüchtlingsinitiativen und Kirchengemeinden begrüßten die Entscheidung.
Es sei davon auszugehen, dass die Mehrzahl der Bürgen sich bei der Abgabe ihrer Kostenübernahmeerklärung über deren Tragweite nicht bewusst gewesen sei, sagte ein Sprecher des Bundessozialministeriums. Die bisher bestehende Rechtsunsicherheit sei nun beseitigt. Die dem Bundessozialministerium unterstehende Bundesagentur für Arbeit hatte im März durch eine Weisung an die Jobcenter Flüchtlingsbürgen entlastet, die sich Rückforderungen von an syrische Bürgerkriegsflüchtlinge gezahlter Arbeitslosenhilfe gegenübersahen.
Laut dem Brief des Bundessozialministeriums sind die im Blick auf die Forderungen der Jobcenter an Flüchtlingsbürgen getroffenen Anordnungen auf die Sozialämter "inhaltlich übertragbar". Demnach sind Verpflichtungsgeber aus Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen, Hessen und Rheinland-Pfalz durchweg von Erstattungsforderungen der Sozialämter über Hilfe zur Grundsicherung im Alter freigestellt.
Von der Zahlungspflicht ausgenommen werden außerdem Bürgen, die ihre Erklärung auf einem bundeseinheitlich verwendeten Formular abgegeben hatten, das eine Haftung "bis zur Erteilung eines Aufenthaltstitels zu einem anderen Aufenthaltszweck" vorsah. Gleiches gilt, wenn sie zum Zeitpunkt ihrer Bürgschaft "finanziell nicht ausreichend leistungsfähig" waren. Die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Bürgen sei durch die Behörden "nicht durchgängig und ausreichend" geprüft worden, sagte der Sprecher.
Ein Bündnis aus Initiativen und evangelischer Kirche in Minden äußerte sich erleichtert, dass nun in der Regel alle Flüchtlingsbürgen entlastet würden: "Für das bürgerschaftliche Engagement und den sozialen Zusammenhalt fatale Fehlentscheidungen können auch wieder korrigiert werden", erklärten Vertreter des Welthauses Minden, des Kirchenkreises und des Vereins Minden für Demokratie und Vielfalt.
Mit seinem Brief reagierte das Ministerium nach eigenen Angaben auf Anfragen der Bundesländer Schleswig-Holstein und Sachsen-Anhalt. Das Schreiben, das auf den 13. Juni datiert ist, betrifft alle Verpflichtungserklärungen, die vor dem Inkrafttreten des Integrationsgesetzes am 6. August 2016 im Zusammenhang mit Landesaufnahmeprogrammen abgegeben wurden. Bei der Überprüfung der Erstattungsforderungen sollen die Sozialämter in der Regel nach Aktenlage entscheiden. Bürgen, die bereits gezahlt haben, müssen dafür allerdings einen Antrag stellen.
Seit 2017 hatten Jobcenter und Sozialämter Rechnungen an Einzelpersonen, Initiativen und Kirchengemeinden verschickt, die sich von 2013 bis 2015 zur Übernahme des Unterhalts für syrische Flüchtlinge verpflichtet hatten. Die Bürgen waren davon ausgegangen, nur so lange für die Syrer aufkommen zu müssen, bis die Asylverfahren positiv beschieden sind. Diese Auffassung vertraten damals unter anderem die Länder NRW, Hessen und Niedersachsen, während der Bund von einer Fortgeltung der Haftung ausging. Mit dem Integrationsgesetz setzte der Bund seine Position durch.
Laut einer Statistik der Bundesregierung betrugen allein die Forderungen der von Bundesagentur und Kommunen zusammen getragenen Jobcenter an Flüchtlingsbürgen mindestens 21 Millionen Euro.