Genf, Marburg (epd). Die Situation von 43 Flüchtlingen an Bord des Rettungsschiffes "Sea-Watch 3" im Mittelmeer vor Lampedusa sorgt für Besorgnis und Hilfsbereitschaft. Die UN forderten, den Menschen, die seit mehr als einer Woche auf dem Schiff ausharrten, das Anlanden an einem sicheren Hafen zu ermöglichen. Unter den Geretteten befänden sich auch drei unbegleitete Kinder, erklärten die Internationale Organisation für Migration (IOM) und das UN-Flüchtlingshilfswerk UNHCR am Freitag in Genf.
Derweil appellierten mehrere deutsche Städte an Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU), dafür zu sorgen, dass die Geretteten auf der "Sea-Watch 3" eine Aufnahmezusage für Deutschland erhalten. In einem offenen Brief erneuerten die Bürgermeisterinnen und Bürgermeister ihre Bereitschaft, die Geflohenen aufzunehmen. "Wir verlangen, dass sich Deutschland im Weiteren dieser humanitären und gesamtgesellschaftlichen Aufgabe stellt und die Verteilung über den vorgesehenen Schlüssel erfolgt", hieß es in dem Brief vom Freitag, der dem Evangelischen Pressedienst (epd) vorliegt. "Lassen Sie uns humanitäre Verantwortung übernehmen und bereiten wir dem anhaltenden Sterben auf dem Mittelmeer gemeinsam ein Ende." Die Unterzeichner, darunter die Stadtoberhäupter aus Dortmund, Düsseldorf, Erlangen, Greifswald, Kiel, Marburg und Köln, gehören zum Bündnis "Sichere Häfen", dem etwa 60 Städte und Kommunen angehören.
Italien hatte am Samstag zehn Kranken und Babys das Anlanden auf der Insel Lampedusa gestattet und die Besatzung des Schiffes aufgefordert, mit den restlichen Migranten in Libyen anzulegen. Das aber komme nicht in Frage, sagte UNHCR-Sprecher Babar Baloch. Kein Hafen des Bürgerkriegslands Libyen könne derzeit als sicher gelten. Nach IOM-Angaben sind mehr als 90.000 Menschen vor den Kämpfen in der Hauptstadt Tripolis geflohen. Zudem würden Flüchtlinge in Libyen in Internierungslager mit inakzeptablen Bedingungen gesteckt.
Die Flüchtlinge waren am vergangenen Mittwoch von der Crew des Schiffes im Mittelmeer gerettet worden. Alle 43 Flüchtlinge bräuchten medizinische Hilfe, erklärte eine Sea-Watch-Ärztin in einem Video, das auf Twitter verbreitet wurde. Zwar sei das Meer derzeit ruhig, doch besonders in den Schiffsbereichen, in denen sich die Geflohenen aufhielten, werde es sehr heiß. "Die Patienten leiden unter Dehydrierung, was wir nicht wirklich kontrollieren können", sagte die Ärztin Verena Wurz. Viele der Geretteten bräuchten psychologische Betreuung, weil sie traumatisiert und gefoltert worden seien. "Wir können nicht abschätzen, wie sie auf den zunehmenden Stress hier an Bord reagieren werden." Manche litten unter unkontrollierbaren Schmerzen als Folge von Folter, was an Bord nicht zu behandeln sei. "Wir brauchen einen sicheren Hafen für sie."
Der Weg über das Mittelmeer ist die tödlichste Fluchtroute der Welt. In diesem Jahr sind dem IOM zufolge knapp 600 von 26.700 Flüchtlingen im Mittelmeer ertrunken. Private Seenotretter wie Sea-Watch werden in ihrer Arbeit massiv behindert. Italien hatte erst kürzlich ein Gesetz erlassen, dass ihre Hilfe kriminalisiert.
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