Dortmund (epd). Der Soziologe Hartmut Rosa hat die Kirchen zu neuen Gottesdienstformen ermutigt. Die Gesellschaft brauche Räume, in denen sich die Menschen des "größeren Ganzen bewusst werden", sagte der in Jena lehrende Politikwissenschaftler am Donnerstag auf dem evangelischen Kirchentag in Dortmund. Allerdings müsse sich der Alltag der Menschen, vor allem der jungen, im spirituellen Angebot der Kirchen wiederfinden.
"Wir leben in einer Gesellschaft, die die letzten Dinge des Lebens gerne aufschiebt", fügte Rosa hinzu. Die meisten Menschen seien mit "vorläufigen Dingen" wie Arbeit oder Fitness beschäftigt. Hier könnten die Kirchen mit ihren Liturgien zu den großen Lebensfragen Sinn vermitteln oder zum Nachdenken anregen.
Rosa begrüßte in diesem Zusammenhang neue Gottesdienstformen, in denen die Teilnehmer mit einbezogen und zur Mitgestaltung eingeladen werden. Der 53-Jährige warnte die Kirchen zugleich davor, immer alles neu und anders machen zu wollen. Rosa: "Ich hänge auch an alten traditionellen Formen." Tradition und Gegenwartsbezug müssten sich gegenseitig ergänzen. Vor allem das Thema Entschleunigung sei bei den christlichen Ritualen wichtig, sagte Rosa zum Thema "Gottesdienst im Wandel?"
Der fünftägige 37. Deutsche Evangelische Kirchentag in Dortmund geht am Sonntag zu Ende. Die Veranstalter erwarten insgesamt rund 118.000 Teilnehmer. Das Treffen steht unter der Losung "Was für ein Vertrauen". Der Kirchentag ist alle zwei Jahre in einer anderen Stadt zu Gast. 2017 fand das Protestantentreffen anlässlich des 500. Reformationsjubiläums in Berlin und Wittenberg statt. Für 2021 ist zum dritten Mal ein Ökumenischer Kirchentag geplant, in Frankfurt am Main.