Das Jahrbuch 2017 des Internationalen Suchdienstes (ITS) in Bad Arolsen widmet sich dem Schicksal von Kindern und Heranwachsenden, die die nationalsozialistische Verfolgung und Zwangsarbeit überlebt haben. "Sie waren am verwundbarsten und hatten jedes Gefühl für ein Zuhause verloren", sagte Henning Borggräfe, Leiter der Abteilung Forschung und Bildung beim ITS, am Montag: "Wir möchten mit dem Jahrbuch deren Lebenssituation darstellen und das Thema stärker in den Blickpunkt von Forschung und Bildung rücken."
Als sogenannte Displaced Persons (DPs) hätten sie zunächst überlebende Familienangehörige gesucht, erläuterte Borggräfe. "Sie brauchten eine Lebensperspektive und in vielen Fällen eine neue Heimat." Zu der Gruppe zählten dem Suchdienst zufolge Überlebende des Holocaust, des Massenmordes an den Sinti und Roma sowie etwa 1,5 Millionen unbegleitete Minderjährige allein unter den ehemaligen Zwangsarbeitern. Hinzu kamen verschleppte Kinder des Vereins "Lebensborn", die zur Eindeutschung ihrer Identität beraubt worden waren.
Das Jahrbuch gibt Einblicke in die Nachwirkungen des Holocaust, der NS-Verfolgung und der Zwangsarbeit und stellt die Arbeit alliierter Hilfsorganisationen nach 1945 dar. Darüber hinaus bietet es Ansätze für die historisch-politische Bildungsarbeit zu DPs. "Angesichts der aktuellen Migrationsbewegung und der großen Zahl unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge gewinnt die Auseinandersetzung mit den sozialen und politischen Herausforderungen am Ende des Zweiten Weltkriegs auch für die Gegenwart neue Relevanz", sagte Borggräfe.
Der Internationale Suchdienst (International Tracing Service, ITS) ist ein Archiv und Dokumentationszentrum über NS-Verfolgung und die befreiten Überlebenden. Aus mehr als 30 Millionen Dokumenten erhalten ehemals Verfolgte und ihre Nachfahren Informationen zur Inhaftierung, zu Zwangsarbeit sowie über die Unterstützung durch die Alliierten nach dem Krieg. Das Archiv ist auch Grundlage für Forschungsarbeiten und Bildungsangebote.