Gott kann alle Sprachen
Aber wozu soll das gut sein? Gebet ist Kommunikation! Und spätestens seit der großen Flüchtlingswelle in diesen Tagen ist doch offensichtlich, dass Integration vor allem durch Sprache und erst dann auch gelingende Kommunikation möglich ist. Es stellt sich zudem die Frage, was ich unter "Gebet" verstehe. Wenn Gebet mein Bitten an Gott ist, dann erscheint die Sprache unerheblich, wenn Gott allwissend ist. Denn dann kann er alle Sprachen.
Ein weiteres Problem ist, ob die Übersetzung aus einem Urtext eines Gebetes zutreffend ist. Sind also "agape", "Liebe", "love" dasselbe? Unterscheidet der antike Grieche zwischen Agape und Eros, so ist im Deutschen Liebe Beides und Love ist sozusagen ganz Vieles. Letztendlich steht die Frage der Spiritualität, des Glaubens und der Innigkeit der Kommunikation selbst für den Sinn des Gebetes. Und dann ist die Sprache für die Funktion des Gebetes nicht entscheidend – vielmehr der Glaube!
Guntram Platter ist Theologe, Sprachwissenschaftler und promovierter Philosoph mit Erlaubnis zur Ausübung der Heilkunde auf dem Gebiet der Psychotherapie.
"Seigneur Dieu, helf mer doch..."
Außer den Ankündigungen benutze ich nicht das Elsässische, denn viele Worte, zum Beispiel "Gnade", behalten ihren vollen Sinn auf französich - "la grâce" -, kaum aber auf elsässisch. Der Weihnachtsgottesdient am 24. mit den Kindern ist ganz auf französisch, aber "Stille Nacht" singen wir auf deutsch. Die Leute finden, es klingt einfach viel ursprünglicher und rührender als "Douce nuit", das eben nur eine Übersetzung ist.
Beten tue ich in allen drei Sprachen, aber nicht schön umeinander, sondern ganz durcheinander, manchmal im selben Satz. "Seigneur Dieu, helf mer doch, denn ich bin am Ende et tes voies sin mer undurchsichtig." Ich habe keinen Zweifel daran, daß Gott versteht, was ich meine, auch wenn ich keine Ahnung habe, wie er das macht. Wichtig ist, was im Herzen ist; die Worte um es auszudrücken sind zweitrangig. Gott versteht ja schon meine Gedanken, ehe ich sie ausspreche.
Charles Spellig ist mehrsprachiger evangelischer Pastor in Gumbrechtshoffen, Elsass.
Buchstäblich in der Sprache ihrer Mutter
Wenn viele trotzdem lieber auf Deutsch Gottesdienst feiern, hat das meiner Meinung nach zwei Gründe: Sprache transportiert auch eine innere Haltung – eine Mentalität, die sich nicht so leicht lernen lässt wie Vokabeln. Und: Gebetssprache macht immer Anleihen bei der Tradition, bei der Glaubenserfahrung früherer Menschen. Darum beten wir leichter in der Sprache derer, die uns den Glauben vermittelt haben. Ich kenne Amerikaner, die kaum noch aktiv Deutsch sprechen, aber regelmäßig zu uns kommen, um buchstäblich in der Sprache ihrer Mutter zu singen und zu beten. Zum Beispiel das vertraute Vaterunser.
Olaf Waßmuth ist Pastor der Deutschen Evangelischen Kirchengemeinde in Washington, D.C..
In fremden Landen Christus nützlich sein
Und wenn ich's vermöchte, und die griechische und hebräische Sprache uns so vertraut wäre wie das lateinische und so viele feine Musik- und Gesang(stücke) hätte wie die lateinische sie hat, so sollte man einen Sonntag um den andern in allen vier Sprachen: deutsch, lateinisch, griechisch, hebräisch Messe halten, singen und lesen.
Ich halte es gar nicht mit denen, die sich nur auf eine Sprache so ganz verlegen und alle andern verachten. Denn ich wollte gern solche Jugend und Menschen aufziehen, die auch in fremden Landen Christus nützlich sein und mit den Menschen reden könnten, dass es uns nicht so ginge wie den Waldensern in Böhmen, die ihren Glauben so in ihre eigene Sprache gefangen haben, dass sie mit niemand verständlich und deutlich reden können, er lerne denn zuvor ihre Sprache.
So handelte der heilige Geist im Anfang aber nicht; er wartete nicht, bis alle Welt gen Jerusalem käme und Hebräisch lernte, sondern gab allerlei Sprachen zum Predigtamt, so dass die Apostel reden konnten, wo sie hinkamen. Diesem Vorbild will ich lieber folgen.
Martin Luther in seinem Text "Deutsche Messe und Ordnung des Gottesdienstes", 1526, zitiert nach: Kurt Aland (Hg.): Luther Deutsch, Bd 6, Kirche und Gemeinde, Göttingen 1991, S. 88-89
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