Berlin (epd). Die Umweltschutzorganisation WWF dringt auf eine nachhaltige Produktion sämtlicher Agrarprodukte in Deutschland. Für den Nachweis umweltverträglicher Lieferketten müsse von der Bundesregierung und der Agrarwirtschaft ein Zertifizierungssystem eingeführt werden, forderte der Vorstand Naturschutz beim WWF Deutschland, Christoph Heinrich, am Donnerstag in Berlin. Zugleich präsentierte die Organisation ihren neuen Weltzustandsbericht "Living Planet Report 2016".
In dem Bericht wird erneut deutlich, dass die Menschheit derzeit gravierend über ihre Verhältnisse lebt. Weltweit werden demnach jedes Jahr 60 Prozent mehr Ressourcen verbraucht, als im gleichen Zeitraum nachwachsen können. Damit verbunden ist ein globales Artensterben bei Pflanzen und Tieren. Laut WWF wurde für die vergangenen 40 Jahre ein Rückgang der weltweiten biologischen Vielfalt um 58 Prozent gemessen. Dabei hätten sich die über 14.000 untersuchten Tierpopulationen seit den 1970er Jahren mehr als halbiert.
Paradigmenwechsel gefordert
Am gravierendsten sei der Rückgang der in Süßwasser lebenden Arten. Hier habe es zwischen 1970 und 2012 einen durchschnittlichen Rückgang der Populationen um 81 Prozent gegeben. Für die an Land lebenden Arten sei ein Rückgang um 38 Prozent beobachtet worden, bei den in Meeren lebenden Arten hätten sich die Populationen um 36 Prozent verkleinert. Der aktuelle WWF-Weltzustandsbericht 2016 basiere auf wissenschaftlichen Daten aus dem Jahr 2012, erklärte der Leiter Biodiversität beim WWF Deutschland, Jörg-Andreas Krüger. Der Report wird alle zwei Jahre veröffentlicht.
"Die Menschheit treibt die Erde in einen lebensbedrohlichen Burn-out", warnte Heinrich. Er forderte einen "tiefgehenden Paradigmenwechsel". In einer Welt mit begrenzten Ressourcen müsse deren nachhaltige Nutzung "zu einer der obersten Handlungsmaximen von Politik und Wirtschaft" werden. Nötig sei eine neue Definition von Wohlstand und Erfolg, bei der die Gesundheit von Individuen, der Gesellschaft und der Umwelt mit einbezogen würden.
WWF will Wandel der Fleischproduktion
Als Hauptverursacher des wachsenden Ressourcenverbrauchs gelten die Industrieländer. Deutschland liege dabei auf Platz 25 und gehöre damit zu den Ländern mit einem besonders großen ökologischen Fußabdruck, so der World Wide Fund For Nature (WWF). Für die Erzeugung von Agrarprodukten nutze die Bundesrepublik vor allem die Ressourcen anderer Länder.
So seien für deutsche Agrarprodukte zuletzt rund 5,5 Millionen Hektar Anbaufläche nötig gewesen, knapp die Hälfte der Fläche (zwei Millionen Hektar) habe die deutsche Fleischproduktion mit dem Anbau von Soja in Südamerika zu verantworten. Für die Palmölproduktion für Biokraftstoffe, Kosmetik, Nahrungs-, Futter- und Reinigungsmittel seien rund 400.000 Hektar in Indonesien und Malaysia nötig gewesen, heißt es in dem Bericht.
Damit sei die industrielle Fleischproduktion das Agrarprodukt mit der größten Öko-Belastung, betonte Heinrich. Der WWF fordert hier einen "grundlegenden Wandel". Im Fokus müssten eine Verringerung des Fleischkonsums sowie eine natur- und landschaftsverträgliche Produktion im Inland liegen. Hinzu müsse der Nachweis nachhaltiger Lieferketten für Agrarprodukte kommen.