Berlin (epd). Nutztiere fristen nach Recherchen der Verbraucherorganisation Foodwatch in vielen Fällen ein elendes Dasein. Das führe dazu, dass mindestens jedes vierte Tierprodukt von einem kranken Nutztier stamme, sagte der stellvertretende Foodwatch-Geschäftsführer und Buchautor Matthias Wolfschmidt am Donnerstag in Berlin.
Zwar sei dies für die Kunden wegen des strengen gesundheitlichen Verbraucherschutzes in Deutschland ungefährlich. Nötig sei aber eine gesellschaftliche Debatte über den grundsätzlichen Umgang mit Nutztieren, sagte Wolfschmidt bei der Vorstellung seines Buches "Das Schweinesystem. Wie Tiere gequält, Bauern in den Ruin getrieben und Verbraucher getäuscht werden".
Foodwatch: Falsche Anreize
Nach seinen Worten kommt nach Auswertung wissenschaftlicher Studien beispielsweise jedes vierte in Deutschland verkaufte Hähnchen von einem kranken Masthuhn. Bei Schweinen, die im Alter von sechs bis sieben Monaten geschlachtet werden, hätten rund die Hälfte Lungenerkrankungen durchlebt. Auch stamme etwa jeder zehnte in Deutschland getrunkene Liter Milch von einer Kuh mit Eutererkrankungen. Vier von zehn Eiern seien von einer Henne mit Knochenbrüchen gelegt worden.
Nach Überzeugung Wolfschmidts führt das jetzige System zu Leid und Schmerzen bei den Tieren und zu hohem Preis- und Effizienzdruck auf die Landwirte. Tiere und Bauern seien Opfer eines Systems, das falsche Anreize setze. Die Gesellschaft müsse für sich die Frage beantworten, ob sie dieses System weiterführen wolle. Nach den Worten des Buchautors wäre es in einem Zeitraum von 20 Jahren realistisch, das jetzige System grundlegend zu verändern. Voraussetzung seien aber der politische Wille und der gesellschaftliche Konsens, dass Tiere so gesund wie möglich leben sollen.
Die Mehrkosten einer tiergerechten Haltung von Schweinen, Rindern und Hähnchen würden sich nach Schätzungen von Wolfschmidt auf 20 bis 40 Prozent belaufen. Entscheidend sei dann allerdings, dass dieses Geld nicht bei den großen Handelsketten hängen bleibe, sondern bei den Landwirten ankommt, damit diese die Bedingungen für die Tiere verbessern können.
Größe des Betriebes nicht entscheidend
Der nordwestdeutsche Landwirt und Blogger Bernhard Barkmann mahnte bei der Buchvorstellung Vertrauensschutz für Landwirte an: Der Umbau von Ställen sei mit hohen Investitionen verbunden. Landwirte bräuchten deshalb Planungssicherheit und könnten sich nicht in kurzen Zeitabständen an neue politische Vorgaben anpassen.
Der Tierarzt Andreas Striezel aus Oberfranken sagte, nach seiner Praxiserfahrung seien Tiere aus ökologischer und aus konventioneller Haltung gleichermaßen von Krankheiten betroffen. Jedoch seien die Rahmenbedingungen in der ökologischen Landwirtschaft besser. Entscheidend für die Gesundheit der Tiere sei aber letztlich nicht die Größe des jeweiligen Agrarbetriebes, sondern das "Betreuungsmanagement".