Brüssel (epd). In dem Fall aus Bayern sei nicht ausreichend gründlich geprüft worden, ob die von dem Häftling gewünschte Behandlung medizinisch sinnvoll gewesen wäre, urteilte der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte am Donnerstag in Straßburg. Damit habe Deutschland den Artikel drei der Europäischen Menschenrechtskonvention verletzt, der unmenschliche oder erniedrigende Behandlung und Strafe verbietet. Es sprach dem Kläger rund 1.800 Euro zur Erstattung von Auslagen zu. (AZ: 62303/13)
Der 1955 geborene Mann ist seit 1973 heroinabhängig, wie das Gericht ausführte. Von 2008 bis 2014 saß er demnach wegen Drogendelikten im Gefängnis. Zwischenzeitlich wurde er auf richterliche Anordnung mehrere Monate ohne Ersatzstoffe in einer Entziehungsklinik behandelt, ein sogenannter kalter Entzug. Gegen die Rückkehr in die Haft und die anschließende Haftzeit ohne Ersatzstoffe ging der Häftling in Deutschland erfolglos vor.
Gesamte Haftzeit von chronischen Schmerzen geprägt
Das europäische Gericht stellte nun bei der Überprüfung des Falles fest, dass die bayerische Justiz grundsätzlich einen Ermessensspielraum gehabt habe. Das Gericht wollte auch die Frage nicht entscheiden, ob eine Behandlung mit Ersatzstoffen nötig war oder nicht. Vielmehr ging es ihm darum, ob die Behörden in Deutschland die Situation des Häftlings "adäquat untersucht hatten und er die entsprechende medizinische Behandlung erhalten hatte".
Dies war nach Meinung des Menschenrechtsgerichts nicht der Fall. Das Urteil hob insbesondere hervor, dass der Mann schon seit vielen Jahren suchtkrank gewesen sei. Eine Heilung sei unwahrscheinlich gewesen. Auch das Argument der bayerischen Justiz, dass der Mann zu einem bestimmten Zeitpunkt keine Entzugserscheinungen mehr gezeigt habe, ließ der Gerichtshof nicht gelten. Er hielt demgegenüber fest, dass die gesamte Haftzeit für den Drogensüchtigen "von chronischen Schmerzen, unabhängig von früheren Entzugserscheinungen", geprägt gewesen sei.