Leipzig (epd). "Hier, nur auf dieser kleinen Insel, kommt der blaue Baumwaran vor", sagt der Biologe Mark Auliya und tippt auf die Karte von Indonesien, die in seinem Büro im Leipziger Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung hängt. Nur etwa so groß wie der Bodensee ist die Insel Batanta, die von Auliyas Fingerspitze fast verdeckt wird. Um die Zukunft des blauen Baumwarans ist der Biologe sehr besorgt. Erst vor 15 Jahren wurde das schimmernde Reptil wissenschaftlich beschrieben. Und schon jetzt gebe es Indizien dafür, dass der Bestand stark dezimiert ist.
Schuld daran sei der florierende Handel mit den seltenen Tieren. In den Wohnzimmern der westlichen Welt finden sich unzählige Exoten in Terrarien - das Halten von markanten Arten bringt Händlern viel Geld ein. Fast 21 Millionen lebende Reptilien wurden laut Auliya zwischen 2004 und 2014 in die EU importiert. Sechs Millionen davon sind auf dem deutschen Markt gelandet.
Kritik an Artenschutzabkommen
International reguliert ist der Handel mit gefährdeten Tieren über das Washingtoner Artenschutzabkommen Cites, außerdem gibt es ganz ähnliche EU-weite Bestimmungen. Wie ein Expertenteam um Auliya in einer neuen Studie aufzeigt, reicht dies aber oft nicht aus, um seltene Reptilien zu schützen.
Gemeinsam mit rund drei Dutzend Wissenschaftlern, Zollbeamten und Naturschützern aus 22 Ländern hat Auliya zahlreiche Fallbeispiele zusammengetragen, in denen der Haustier-Handel das Überleben einer Art bedroht. Trotzdem sind die Ergebnisse wohl nur "ein Tropfen auf dem heißen Stein", meint er. Denn die Wege, seltene Reptilienarten außer Landes zu bringen, seien vielfältig und oft sogar legal.
Ein Grund dafür ist, dass es bislang nur knapp zehn Prozent aller rund 10.000 bekannten Reptilienarten auf die Cites-Liste geschafft haben. Laut Auliya werden so bei weitem nicht alle bedrohten Exemplare erfasst. Als ein Abgleich dient den Forschern die Rote Liste der Weltnaturschutzorganisation IUCN. Dort finde sich zum Beispiel auch die Orlov's-Viper aus dem Kaukasus, von denen es nicht einmal mehr 250 erwachsene Tiere geben soll. Trotzdem ist der Handel mit diesen Schlangen nicht reguliert.
Raritäten beliebt
Ein weiteres Problem sei die Behäbigkeit des Cites-Abkommens, wie der Biologe kritisiert. Nur alle drei Jahre findet eine Konferenz statt, auf der die Staaten über den Schutzstatus der Arten entscheiden. Die nächste ist für diesen September im südafrikanischen Johannisburg angesetzt.
Innerhalb von drei Jahren kann aber viel passieren - vor allem, wenn Wissenschaftler erstmals eine neue Art beschreiben und damit bei Händlern und Sammlern Aufmerksamkeit wecken. "Die Neubeschreibung ist wie ein Leitfaden für das Händlernetz", sagt Auliya.
Beliebt ist alles, was eine Rarität ist und ungewöhnlich aussieht. Wie etwa der bunte Gecko Cnemaspis psychedelica, der erst seit 2010 bekannt ist. Das kleine Reptil lebt auf einer acht Quadratkilometer großen Insel in Vietnam und wird in Europa seit etwa drei Jahren regelmäßig zum Kauf angeboten - für 2.500 bis 3.000 Euro pro Paar, wie Auliya sagt. Das sei der Bestand schnell "weggesammelt".
Zoll beschlagnahmt Tausende Reptilien
Noch mehr Sorgen als die Lücken in den Regularien macht den Artenschützern der Schmuggel. Nur ein verschwindend geringer Teil des illegalen Handels mit Wildtieren wird aufgedeckt, ist Auliya überzeugt. Das Geschäft ist lukrativ und nimmt mitunter mafiöse Züge an. "Dieser Schmuggel ist teilweise kartellartig organisiert", sagt der Biologe.
Eine Methode ist, die nötigen Dokumente für geschützte Arten zu fälschen oder aus einem Wildfang auf dem Papier eine Nachzucht zu machen. Als Experte wird Auliya auch oft vom Zoll um Rat gebeten.
Für die Beamten ist der Handel mit lebenden Wildtieren, Trophäen oder Häuten von gefährdeten Arten schon längst keine Seltenheit mehr. In mehr als 1.300 Fällen stoppte der Zoll 2015 die Einfuhr von geschützten Tieren und Pflanzen oder entsprechenden Produkten mit tierischen Bestandteilen. Die Stückzahl der beschlagnahmten Exemplare beziffere sich auf genau 580.120 und sei damit im Vergleich zum Vorjahr "deutlich angestiegen", sagt Andre Lenz, Sprecher der Generalzolldirektion in Bonn. Und zwar um das Vierfache: 2014 lag die Stückzahl bei 118.650. Auf Reptilien entfielen dem Zoll zufolge im vergangenen Jahr rund 7.030 beschlagnahmte Exemplare.
Biologe fordert härtere Strafen
Die Schmuggler sind kreativ und verlassen sich nicht nur auf die Einfuhr der Wildtiere in angeblichen Urlaubskoffern. So wurde beispielsweise im September 2007 ein US-Amerikaner verhaftet, der drei Fidschi-Leguane in einer Beinprothese versteckt hatte.
Die stetige Nachfrage wird den international lukrativen Handel weiter in Bewegung halten, sagt Auliya. Er wirbt für noch striktere Auflagen beim Handel und für härtere Strafen. Dazu sei aber in vielen Ländern erst einmal ein Sinneswandel nötig, sagt der Biologe. Noch zu oft würden die Verstöße gegen den Artenschutz als "Kavaliersdelikt" abgetan.