Berlin (epd). Normalerweise lässt Berlin fünf Jahre nach dem Tod vergehen, bevor die Stadt einen bedeutenden Ex-Einwohner mit einer Gedenktafel ehrt. Bei David Bowie machte der Senat eine Ausnahme. "Bei ihm brauchten wir das nicht", sagte Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller (SPD) am Montag bei der Enthüllung der Tafel aus weißem Porzellan an Bowies früherem Wohnhaus in der Hauptstraße 155 in Schöneberg. "Wir alle sind uns sicher, was David Bowie für unsere Stadt getan hat und wie sehr er sie geprägt hat."
"Heroes": Heimliche Hymne der Stadt
Der im Januar gestorbene britische Musiker (1947-2016) sei "Sinnbild für die weltoffene und tolerante Atmosphäre in der Stadt", sagte Müller. Bowie habe die geteilte Kulturmetropole und West-Berlin weltweit unzähligen Menschen ein Stück näher gebracht. Mit dem Lied "Heroes" habe er die heimliche Hymne der Stadt geschrieben, betonte Müller.
In den berühmten Kreuzberger Hansa-Studios aufgenommen, kaum 200 Meter von der Berliner Mauer entfernt, handelte dieses Lied von Liebe und Zusammenhalt zweier Menschen inmitten einer geteilten Stadt. "Dieses Lied war seine Art, die Teilung anzusprechen und in gewisser Weise musikalisch zu überwinden. David Bowie lebte in dieser Stadt, er gehört zu uns", so Müller.
Auf der Gedenktafel wird auch an die drei Alben "Heroes", "Low" und "Lodger" erinnert, die Bowie zwischen 1976 und 1978 in den Hansa Studios aufnahm. Ganz unten steht das Zitat "We can be hereos for one day". Die Alben sind als Berliner Trilogie des Künstlers in die Geschichte der Popmusik eingegangen.
Auf Entzug in Berlin
"The big hall by the wall", nannte Bowie den legendären Meistersaal der Studios, wie Eduard Meyer sich am Montag erinnerte. Meyer war damals Tonmeister in den Berliner Studios und freundete sich mit dem Rockmusiker an. Einmal sei er zum Weihnachtsgansessen in die Hauptstraße 155 eingeladen worden, berichtete Meyer. Die Wohnung sei bis auf Bowies eigenes Zimmer und die Küche sehr spärlich eingerichtet gewesen. "Überall lagen nur Gästematratzen." Später machte der Toningenieur auch Aufnahmen mit Bowies Mitbewohner, dem US-Musiker Iggy Pop, der als "Pate des Punk" gilt.
In die Mauerstadt kam der aus dem Londoner Stadtteil Brixton stammende Bowie 1976 auf der Flucht vor seiner Heroinsucht, "obwohl Berlin damals nicht gerade als Entzugsklinik bekannt war", wie der Regierende Bürgermeister amüsiert anmerkte. Aber in der Tat kam der britische Musiker, der damals schon ein Weltstar war, in der geteilten Stadt von seinem Drogen-Trip runter und zur Ruhe.
"Der berühmteste Zugezogene"
"Bowie konnte Identitätsprobleme immer in Kreativität verwandeln", sagte der Bowie-Biograph Tobias Rüther. Für seine Auszeit in der Stadt, deren historische Energie er für sich nutzte, habe er sich mit "Heroes" bedankt - der einzigen wirklichen Hymne der damaligen Mauerstadt. "Das haben die Deutschen nicht hinbekommen", sagte Rüther. Für den Autor ist Bowie der "berühmteste Zugezogene Berlins".
Dass auch Weltstars einen normalen Alltag mit all seinen Nickligkeiten bewältigen müssen, räumte Bowie mal in einem Interview ein. Das Zusammenleben mit Iggy Pop in der Hauptstraße 155 sei nicht immer reibungslos verlaufen, berichtete der Musiker. Er sei immer derjenige gewesen, der einkaufte, und Iggy Pop habe alles aufgegessen. Später zog Pop im gleichen Haus in eine eigene Wohnung.