Berlin (epd). Anfang kommenden Jahres steigt der gesetzliche Mindestlohn von 8,50 Euro auf 8,84 Euro brutto in der Stunde. Das gab die Mindestlohnkommission bekannt, die am Dienstag in Berlin ihren ersten Bericht vorstellte. Der Beschluss sei einstimmig gefallen, sagte der Vorsitzende der Kommission und ehemalige Arbeitsdirektor des Energiekonzerns RWE, Jan Zilius. Er nannte die Erhöhung um 34 Cent eine "sehr verantwortungsvolle Entscheidung".
Unstimmigkeiten zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern
Der Mindestlohn richtet sich nach der Entwicklung des durchschnittlichen tariflichen Stundenlohns. Laut Zilius stiegen die Löhne und Einkommen im Zeitraum von Januar 2015 bis zum Stichtag 30. Juni 2016 um vier Prozent. Die Abschlüsse im Öffentlichen Dienst gingen Zilius zufolge in die Berechnung ein, die in der Metall- und Elektrobranche jedoch noch nicht. Darüber hatte es in der Kommission zunächst Unstimmigkeiten zwischen der Arbeitgeber- und der Arbeitnehmerseite gegeben.
Die Mindestlohnkommission besteht aus jeweils drei Vertretern der Arbeitgeber- und der Arbeitnehmerseite. Zwei Wissenschaftler beraten das Gremium, das unabhängig von der Politik alle zwei Jahre den gesetzlichen Mindestlohn festlegt. Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) erlässt nach dem Votum der Kommission nun eine entsprechende Verordnung. Die Erhöhung macht bei einer 40-Stunden-Woche 55 Euro im Monat und 660 Euro brutto mehr im Jahr aus.
Auswirkungen auf Arbeitsmarkt noch unklar
Die Kommission soll auch die Auswirkungen des Mindestlohns auf den Arbeitsmarkt und den Wettbewerb untersuchen. Der Kommissionsvorsitzende Zilius sagte dazu, dies sei wegen mangelnder Daten noch nicht möglich. Weder könne die Kommission in ihrem ersten Bericht gesicherte Erkenntnisse über Auswirkungen des Mindestlohns auf den Arbeitsmarkt, noch auf die Unternehmen und den Wettbewerb liefern. Die Einführung der Lohnuntergrenze sei aber in einem günstigen wirtschaftlichen Umfeld erfolgt.
Die Wirtschaft hatte vor Jobverlusten in großem Umfang gewarnt. Feststellen lasse sich bisher allein, dass die Zahl der Minijobs stark abgenommen habe, sagte Zilius. Es sei aber bei der gegenwärtigen Datenlage nicht nachzuweisen, dass dies allein auf den Mindestlohn zurückzuführen sei.
Kritik der Linksfraktion
Der gesetzliche Mindestlohn war 2015 eingeführt worden und gehört zu den zentralen sozialpolitischen Reformen der großen Koalition. Die SPD hatte jahrelang für den Mindestlohn gestritten. Über eine Anpassung entscheidet die Mindestlohnkommission alle zwei Jahre.
Die Linksfraktion erklärte, auch ein Stundenlohn von 8,84 Euro reiche insbesondere in den Großstädten nicht, um über die Runden zu kommen. SPD und Union sahen sich hingegen bestätigt. Es sei richtig, dass nicht die Politik, sondern die Sozialpartner über die Höhe des gesetzlichen Mindestlohns entscheiden, erklärten die Fraktionen übereinstimmend.