Berlin (epd). Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) will das Thema Nachhaltigkeit international vorantreiben. Bei der Jahrestagung des Rates für nachhaltige Entwicklung sagte Merkel am Dienstag in Berlin, sie werde die G-20-Präsidentschaft dafür nutzen, "konkrete Nachhaltigkeitsziele fest in den Blick zu nehmen". Deutschland übernimmt am 1. Dezember den einjährigen Vorsitz der Gruppe von 20 Industrie- und Schwellenländern.
Merkel bezeichnete es als Erfolg, dass sich die Vereinten Nationen im vergangenen Jahr auf neue Nachhaltigkeitsziele geeinigt haben. Sie müssten aber auch umgesetzt werden, sagte die Kanzlerin und verwies auf das Nichterreichen der Millenniumsziele zum Jahr 2015. Bis dahin wollte die Weltgemeinschaft eigentlich die Armut auf der Welt halbieren.
Kindern und Enkeln eine gute Welt hinterlassen
Die Kanzlerin mahnte: "Es ist noch nicht vorgezeichnet, wie lebenswert die Welt einmal ist, die wir unseren Kindern und Enkelkindern überlassen." Statistisch gesehen hätten heute Geborene gute Chancen, das 22. Jahrhundert zu erleben.
Die Regierungschefin appellierte beim Thema Nachhaltigkeit an jeden Einzelnen, zeigte sich aber überzeugt, dass viele Menschen dies bereits berücksichtigten: "Nachhaltigkeit ist ein Entscheidungskriterium in Alltagsfragen geworden." Die Menschen wollten wissen, wo und unter welchen Bedingungen ihre Jeans genäht und ihre Lebensmittel produziert worden seien, sagte Merkel.
Die Kanzlerin war für den Dienstagabend mit den Ministerpräsidenten der Bundesländer verabredet, um über die Zukunft der Energiewende zu beraten. Merkel unterstrich vor dem Treffen nochmals die Notwendigkeit von Stromleitungen. Die Energiewende finde nur statt, wenn der Strom auch durch eine Leitung transportiert werde, sagte Merkel. Besonders mit Bayern hatte es in der Vergangenheit Streit um Stromtrassen gegeben.
Noch herrscht Streit beim Kohleausstieg
Bundesumweltministerin Barbara Hendricks (SPD) verwies auf Meinungsverschiedenheiten auch in der Bundesregierung beim Kohleausstieg. Sie schloss sich aber Merkel in der Ansicht an, dass ein Umschwenken auf Nachhaltigkeit in Umwelt-, Sozial- und Wirtschaftspolitik jeden herausfordere. "Praktisch heißt es den kompletten Umbau unserer Art zu leben und zu wirtschaften", sagte Hendricks. Davor müsse man aber keine Angst haben. Man werde anders, aber nicht schlechter leben. Auch Bundesbildungsministerin Johanna Wanka (CDU) forderte Anstrengungen jedes Einzelnen: "Nachhaltigkeit ist keine Wohlfühlveranstaltung."
Bundesentwicklungsminister Gerd Müller (CSU) forderte mehr Gerechtigkeit in den internationalen Handelsbeziehungen. Es dürfe nicht sein, dass die Produktion in andere Länder ausgeweitet werde und dort soziale und ökologische Standards nicht beachtet würden. Müller sagte, ein noch nicht veröffentlichtes Gutachten im Auftrag seines Ministeriums komme zu dem Schluss, dass die Welthandelsorganisation (WTO) von einer reinen Freihandelsorganisation zu einer "Fairhandelsorganisation" werden müsse. Man brauche eine verbindlichen, neuen globalen Ordnungsrahmen, sagte Müller.
Der von der Bundesregierung einberufene Rat für nachhaltige Entwicklung berät die Bundesregierung in Fragen beispielsweise des Umweltschutzes, der Generationengerechtigkeit und Bekämpfung von Armut auf der Welt. Das Gremium unter Vorsitz der ehemaligen Deutsche-Bank-Direktorin Marlehn Thieme, die auch Mitglied im Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) ist, wurde 2001 gegründet.