Hannover (epd). "Es gibt noch viel zu viele, die sich nicht vorstellen können, dass es möglich ist, ihr Unternehmen erfolgreich zu führen, wenn sie eine bestimmte Zahl an Arbeitsplätzen für Menschen mit Behinderung anbieten", sagte der SPD-Parteichef am Donnerstag in Hannover. Das Problem sei dabei oft Unsicherheit oder Unwissen. Es gelte daher, die "Köpfe und Herzen" der Unternehmer zu öffnen. Das könne auch ein Beitrag gegen den Fachkräftemangel sein.
Neue Fachkräfte gewinnen
Die Erfahrung zeige, dass Betriebe, die Menschen mit vielfältigen Lebenserfahrungen beschäftigten, wirtschaftlich erfolgreicher seien als andere, betonte Gabriel. Der Vizekanzler, der von 1999 bis 2003 niedersächsischer Ministerpräsident war, sprach bei einer Fachtagung zum 40-jährigen Bestehen des Berufsbildungswerks im diakonischen Annastift. Dort wurden seit 1976 rund 4.400 junge Menschen mit Behinderung in mehr als 30 Berufen ausgebildet.
Laut Gabriel lassen sich für die Zukunft rund fünf Millionen Menschen aus unterschiedlichen Gruppen als neue Fachkräfte gewinnen. Dazu gehörten Alleinerziehende, Zuwanderer und Menschen mit intensivem Förderbedarf. Gabriel betonte jedoch, dass gleiche Chancen für behinderte Menschen ein Verfassungsgrundsatz seien. Letztlich dürfe der Fachkräftemangel nicht der ausschlaggebende Grund sein, sie zu fördern.
Menschen mit besonderen Fähigkeiten
Der Wirtschaftsminister mahnte zudem weitere Anstrengungen an den Schulen an. Rund 47.000 junge Leute beendeten in diesem Jahr die Schule, ohne zumindest einen Hauptschulabschluss geschafft zu haben - das seien etwa sechs Prozent eines Jahrgangs: "Wir schauen noch zu wenig hin, welche Bedingungen wir in diesen Schulen brauchen, um Schüler zum Lernerfolg zu bringen." Gabriel ist selbst ausgebildeter Lehrer. Vor seiner politischen Karriere unterrichtete er in Goslar am Harz unter anderem arbeitslose Jugendliche, um sie auf einen Beruf vorzubereiten.
Der Hauptgeschäftsführer der Unternehmerverbände Niedersachsen, Volker Müller, berichtete von gelungenen Beispielen, bei denen Betriebe Arbeitsplätze für Menschen mit Behinderungen geschaffen hätten. So habe der Mikrofon-Hersteller Sennheiser in der Wedemark bei Hannover seine Arbeitsprozesse analysiert und geprüft, wo er behinderte Menschen mit ihren besonderen Fähigkeiten einsetzen könne. "Das wirkt sich sehr positiv auf das Betriebsklima aus", sagte Müller. "Menschen, die zuvor als nicht integrierbar betrachtet wurden, kommen jetzt jeden Tag fröhlich zur Arbeit."