Berlin (epd). Es bestehe keine rechtliche Verpflichtung, die gesamte Vielfalt verschiedener Ernährungsüberzeugungen von Eltern und Kindern wie etwa "Steinzeiternährung, Low Carb, Low Fat, Rohkost, Trennkost, Fruitarismus und Veganismus" zu berücksichtigen, heißt es in einem am Mittwoch veröffentlichten Beschluss des Berliner Verwaltungsgerichtes. (VG 3 K 503.15)
Verstoß gegen Gleichbehandlungsgrundsatz
Geklagt hatte der Vater einer Tochter, die eine Ganztagsgrundschule in Berlin-Köpenick besucht und sich aus ethischen Gründen vegan ernährt. Das Bezirksamt hatte es abgelehnt, ein entsprechendes Mittagessen zur Verfügung zu stellen, solange kein ärztliches Attest über die Notwendigkeit einer veganen Ernährung vorliegt. Hierin sah der Kläger einen Verstoß gegen die Gewissensfreiheit und den Gleichbehandlungsgrundsatz, weil die von den Eltern mitfinanzierte Schulspeisung auf andere, religiös oder gesundheitlich begründete Essgewohnheiten Rücksicht nehme. Zudem würde die bisherige Praxis seine Tochter aus der Gemeinschaft ausschließen.
Das Gericht hatte im Rahmen der erhobenen Klage zunächst über die Gewährung von Prozesskostenhilfe zu entscheiden und lehnte dies ab mit der Begründung, eine Klage habe "keine hinreichende Aussicht auf Erfolg". Zur Begründung hieß es weiter, die Schule orientiere sich bei der Bereitstellung des Schulmittagessens an den Qualitätsstandards der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE), die eine vegane Ernährung für Kinder und Jugendliche gerade nicht empfehle. Zudem stoße die tägliche Zubereitung von wenigen veganen Speisen in Großküchen auf erhebliche Schwierigkeiten.
Die Tochter des Klägers werde auch nicht gezwungen, entweder das nicht vegane Schulessen oder gar nichts zu essen und den anderen Schulkindern beim Verzehr des Mittagessens zuzuschauen. Sie könne am Mittagessen teilnehmen, indem sie etwa eigenes Essen mitbringe und vor Ort aufwärme oder- wie bereits in der Vergangenheit geschehen - sich selbst veganes Essen in die Schule liefern lasse. Hierdurch werde sie auch nicht ausgegrenzt, weil aufgrund der Vielfalt des täglichen Bedarfsangebotes nicht jedes Kind das Gleiche esse. Gegen den Beschluss kann Beschwerde beim Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg eingelegt werden.
Gesundheitsfördernde und schmackhafte Lebensmittel
Die Ernährungsspezialisten der Deutschen Gesellschaft für Ernährung betonten, es wäre natürlich zu begrüßen, "wenn Wünsche und Anregungen der Schüler sowie besondere Bedürfnisse bei der Speisenplanung jederzeit berücksichtigt werden könnten". Dies sei aber bei einer Gemeinschaftsverpflegung mit vielen Teilnehmern nicht immer möglich, sagte Geschäftsführer Helmut Oberritter dem Evangelischen Pressedienst (epd) in Bonn.
Allerdings sollte die Schule ein Ort sein, "an dem gesundheitsfördernde und schmackhafte Lebensmittel in einer angenehmen Atmosphäre angeboten werden". Aus ernährungsphysiologischer Sicht bedeute dies, "eine bedarfsgerechte, ausgewogene Verpflegung für die Mittags- und Zwischenverpflegung anzubieten, die auch energiefreie Getränke beinhaltet". Dazu gehöre auch "eine ansprechende Gestaltung des Speisenraums, eine angenehme Essatmosphäre und ausreichend lange Pausen, damit die Schüler in Ruhe essen können".
Mit Blick auf Lebensmittelunverträglichkeiten oder Krankheiten sagte Oberritter, "auf jeden Fall sollte sichergestellt sein, dass die Kinder an einer entsprechenden Verpflegung teilnehmen können". "Gemeinschaft" bedeute in erster Linie, dass Kinder gemeinsam eine Mahlzeit verzehren.