Berlin (epd) Die seit 1961 von der Defa produzierte Langzeitdokumentation "Die Kinder von Golzow" wäre nach Überzeugung der Regisseure Barbara und Winfried Junge in Westdeutschland kaum möglich gewesen. "Wohl niemand hätte in der BRD so ein Filmprojekt über Jahrzehnte finanziert", sagte Winfried Junge anlässlich des 70. Jahrestags der Defa-Gründung in Potsdam-Babelsberg dem Evangelischen Pressedienst (epd). "Diesbezüglich hatten wir eine Menge Freiheiten", erinnerte er sich. Außerdem seien die Filme fürs Kino weniger stark unter Kuratel gewesen als Produktionen fürs Fernsehen. "Das rote Telefon zwischen Wandlitz und Adlershof hatte eine kurze Leitung", ergänzte Barbara Junge.
Dennoch hätten auch sie gewusst, was man die Kinder besser nicht sagen oder sehen lassen sollte. "Die Schere im Kopf gab es schon", räumte Barbara Junge ein. "Und für einen parteilosen Filmemacher war sie nicht gerade klein." Den Wert vieler Defa-Filme für heutige Zuschauer sieht Barbara Junge vor allem in der realistischen Darstellung von Alltag und Arbeit in der DDR. "Viele junge Menschen wollen wissen, in was für einem Land ihre Eltern großgeworden sind", sagte sie. Persönliche Erzählungen seien zwar wichtig, aber Filme zeigten ein allgemeineres Bild, etwa wie sich viele Menschen in den Grenzen der DDR einrichteten und damit auch zufrieden gewesen seien.
19 Filme mit mehr als 42 Stunden Laufzeit
Winfried Junge, der für die Defa über 50 Filme drehte, begann 1961, nur wenige Tage nach dem Bau der Berliner Mauer, Erstklässler im Oderbruch-Dorf Golzow mit der Kamera zu begleiten. Barbara Junge stieg 1978 ein. Nach ersten kurzen Filmen sollte das Langzeitprojekt eine "Chronik über den Aufbau des Sozialismus" werden. Nach der Wende bis 2005 wurden weitere Beiträge über die Gruppe und 18 der einzelnen Protagonisten unter anderem vom Bundesinnenministerium, dem Medienboard Brandenburg und später von der Kulturstiftung des Bundes gefördert. NDR, SWR und vor allem der spätere RBB waren Ko-Produzenten. Insgesamt umfasst das Projekt 19 Filme mit über 42 Stunden Laufzeit. Schon zu DDR-Zeiten war das Mammutprojekt international bekannt und zählt laut einer Umfrage der Stiftung Deutsche Kinemathek zu den hundert wichtigsten deutschen Filmen in 100 Jahren Weltkino.
Die Defa gründete sich am 17. Mai 1946 als volkseigener Betrieb. Bis zur Wende produzierte sie etwa 700 Spielfilme, zehnmal so viele Dokumentarfilme und Wochenschauen. In der Wendezeit übernahm Regisseur und Oskar-Preisträger Volker Schlöndorff die Geschäftsführung des Babelsberger Filmstudios und entfachte mit seiner Forderung, den Namen Defa abzuschaffen, eine heftige Debatte. Heute ist die Defa-Stiftung mit Ralf Schenk als Vorstand Rechtsträger der Produktionen und lizensiert die Auswertung des umfangreichen 35-mm-Film-Stocks für Kino, Fernsehen oder auf DVD.
Der RBB wiederholt anlässlich des 70. Jahrestags der Defa-Gründung in der Nacht von Dienstag auf Mittwoch ab 23.30 Uhr die 2005 entstandenen ersten beiden von vier Teilen des abschließenden Films "Und wenn sie nicht gestorben sind...".