Berlin (epd) Bundesumweltministerin Barbara Hendricks (SPD) und der Präsident des Handelsverbands Deutschland (HDE), Josef Sanktjohanser, unterzeichneten am Dienstag in Berlin eine Vereinbarung, nach der innerhalb von zwei Jahren sogar 80 Prozent der Kunststofftüten im Einzelhandel nicht mehr umsonst über die Ladentheke gehen sollen.
Mit der Vereinbarung soll einer EU-Richtlinie nachgekommen werden, die eine Reduzierung auf jährlich 40 Tüten pro Einwohner bis Ende 2025 vorsieht. Mit derzeit 71 Tüten im Jahr hat Deutschland bereits das EU-Ziel für Ende 2019 von einem Pro-Kopf-Verbrauch von 90 Tüten unterboten. Umweltverbände kritisierten den Verzicht auf eine gesetzliche Regelung.
"Zum Start der Vereinbarung beteiligen sich etwa 260 Unternehmen", sagte HDE-Präsident Sanktjohanser. Diese stünden für über 60 Prozent der Tüten im Handel, die von der EU-Richtlinie erfasst werden. Um die vereinbarte Zielquote von 80 Prozent zu erreichen, müssten jedoch noch weitere Branchen die Vereinbarung unterzeichnen. Viele Apotheken und Bäckereien hätten sich beispielsweise noch nicht verpflichtet. "Der Handel steht nur für etwa 70 Prozent der etwa 6,1 Milliarden Tüten, die jährlich an Kunden abgegeben werden", unterstrich Sanktjohanser.
"Plastiktüten stehen für Ex- und Hopp-Mentalität"
Umweltministerin Hendricks begrüßte die Selbstverpflichtung der Einzelhändler als einen Schritt in die richtige Richtung. Obwohl Plastiktüten für die Umwelt in Deutschland eigentlich kein großes Problem darstellten, sei die umweltpolitische Bedeutung der Maßnahme nicht zu unterschätzen. "Plastiktüten stehen für eine Ex- und Hopp-Mentalität auf Kosten der Umwelt", erklärte die SPD-Politikerin. Weltweit würden Plastiktüten-Reste häufig an Stränden und in Meeren gefunden.
Im europäischen Vergleich liegt Deutschland mit seinem Verbrauch im oberen Mittelfeld. Den geringsten Anteil verbuchen die Iren mit einem jährlichen Pro-Kopf-Verbrauch von nur 20 Stück. In Irland ist die Nutzung der Tüten schon seit Jahren mit einer Steuer belegt.
Die Einhaltung der Vereinbarung zwischen dem Bundesumweltministerium und dem Handelsverband Deutschland soll eine dritte, unabhängige Institution überwachen. Wenn das Ziel von 80 Prozent innerhalb von zwei Jahren nicht erreicht wird, behält sich das Ministerium laut Hendricks eine gesetzliche Regelung vor. Die Umweltministerin sprach von einer "Sogwirkung", die nun hoffentlich alle Branchen erfassen werde.
Umweltverbände kritisieren freiwillige Vereinbarung
Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) kritisierte den Verzicht auf eine gesetzliche Regelung. Eine freiwillige Vereinbarung mit dem Einzelhandel werde das Tütenproblem in Deutschland nicht lösen. Die DUH fordert eine bundesweite Plastiktütenabgabe von 22 Cent nach irischem Vorbild.
Auch Greenpeace äußerte sich ähnlich: "Diese freiwillige Selbstverpflichtung ist lediglich ein Ausweichmanöver des Einzelhandels, um einer strengeren gesetzlichen Regelung zuvorzukommen und eine willkommene Gelegenheit, sich öffentlichkeitswirksam ein grünes Mäntelchen umzuhängen." Plastiktüten verschmutzten die Umwelt dauerhaft, verletzten Meerestiere und verschwendeten unnötig Ressourcen.
Über die Höhe des Tüten-Entgelts entscheiden die Händler aus kartellrechtlichen Gründen selbst. Der Präsident des Handelsverbands erwartet Preise von fünf bis 50 Cent, bei stabileren Plastiktüten sogar bis zu einem Euro. Ein Teil der Einnahmen soll Umweltprojekten zugutekommen, wozu die Unternehmen allerdings nicht verpflichtet sind.