Hohenau (epd) Vor 30 Jahren - am 26. April 1986 - ereignete sich im vierten Block des Kernkraftwerks Tschernobyl in der Ukraine eine bis dato einzigartige Nuklearkatastrophe. Die Strahlenkraft, die durch eine Explosion freigesetzt worden ist, ist auch nach drei Jahrzehnten sehr hoch. Besonders in Südbayern und im Bayerischen Wald sind bestimmte Pilz- und Wildarten laut Bundesamt für Strahlenschutz immer noch stark mit radioaktivem Cäsium-137 belastet. Doch Panikmache ist fehl am Platze, sagt Peter Karasch, Pilzsachverständiger und Mitglied beim Pilzteam Bayern in Hohenau im Bayerischen Wald, in einem Gespräch mit dem Evangelischen Pressedienst (epd).
epd: Herr Karasch, wie konkret ist die Gefahr für Pilzsammler in den belasteten Regionen?
Peter Karasch: Auch 30 Jahre nach der Atomkatastrophe gibt es Messungen, die weit über den Grenzwerten von 600 Bequerel pro Kilogramm Frischpilze liegen. Allerdings ist dies von Art zu Art unterschiedlich. Beim Steinpilz liegen die Werte deutlich unter den Grenzwerten. Genauso verhält es sich beim klassischen Pfifferling. Bei einer speziellen Form, dem Trompetenpfifferling, liegen die Werte teilweise bei bis zu 3.000 Bequerel pro Kilo. Um sicherzugehen, kann man auf den Seiten des Bundesamts für Strahlenschutz nachsehen, welche Pilzart in welcher Art und Weise belastet ist. Es gibt außerdem eine Karte mit einer Veranschaulichung der radioaktiven Niederschläge. Aber: Verschiedene Studien haben bewiesen, dass der Verzehr von 500 Gramm Waldpilzen aus dem Bayerischen Wald oder Südbayern pro Woche unbedenklich ist.
epd: Wie verhält es sich mit dem Wildfleisch?
Karasch: Gerade Wildschweine haben teilweise sehr hohe Strahlenwerte. Diese Tiere ernähren sich zu einem großen Teil von im Boden befindlichen Hirschtrüffeln. Hier liegen die Werte teilweise auf extrem hohen 20.000 Bequerel. Cäsium-137 hat eine Halbwertszeit von rund 30 Jahren. Das bedeutet, dass es erst zu circa 50 Prozent zerfallen ist. Doch die Waldböden holen das Material immer wieder nach oben. Wir müssen schlichtweg noch weitere 30 Jahre warten, bis die Strahlenbelastung verschwindend gering sein wird.
epd: Was sind Ihre konkreten Tipps, wenn es um den Verzehr - gerade aus der belasteten Region - geht?
Karasch: Panikmache ist fehl am Platz. Wer in Maßen sammelt und genießt, braucht sich überhaupt keine Sorgen machen. Selbst eine gelegentliche Mahlzeit von höher belasteten Speisepilzen ist unbedenklich. Ich empfehle, sich stets gut zu informieren. Bei Maronen kann man beispielsweise selbst etwas tun: Bei dieser Art hat sich das Cäsium vor allem in der Huthaut festgesetzt. Die Strahlenbelastung kann man aber durch das Schälen dieser Haut senken. Und noch ein persönlicher Tipp von mir: Mein Lieblingspilzgericht ist der Riesenschirmling, paniert oder gebraten als Schnitzel. Diese Sorte findet man sehr oft in Bayern. Es handelt sich um einen ganz und gar unbelasteten Pilz.