Gott ist der liebende Vater, der gute Hirte oder der Mensch gewordene Sohn, manchmal auch der zornige, wütende Herrscher über die Welt. Er ist stark, kräftig, patriarchalisch, aber auch sanftmütig und weise. Eines aber ist der jüdische und christliche Gott in den verbreiteten Vorstellungen nicht: weiblich. Es gibt sie aber, die weibliche Seite - damit befasst sich ab dem 5. Mai eine Ausstellung in der Würzburger Kirche St. Stephan. Die eigentlich archäologische Schau des Bibel+Orient-Museums aus dem Schweizer Fribourg wurde um neue Facetten ergänzt.
Figur der stillenden Isis, 306-30 v. Chr. Foto: BIBEL+ORIENT Museum Fribourg/Schweiz
Gott war aber nicht immer nur männlich. Göttinnen gab es in der Antike ebenso wie beispielsweise im Orient, sagt Harald Wildfeuer, Direktor des mitveranstaltenden Rudolf-Alexander-Schröder-Hauses in Würzburg. Im Alten Testament gebe es eine "klar erkennbare Tendenz, alle weiblichen Züge aus Jahwe und alle weiblichen Gottheiten ringsum zu eliminieren". Historisch sei das völlig anders gewesen, wie die archäologischen Fakten zeigten: Juden- und Christentum entstanden "in einem polytheistischen Kontext", in dem es natürlich auch Göttinnen gab, sagt Wildfeuer.
Die Religionen hätten damals nicht strikt getrennt voneinander existiert, sondern im Austausch miteinander gestanden. "Das Jahr über haben die Menschen ihre Dorfgottheiten angebetet - und einmal im Jahr sind sie in den Tempel gegangen, um dort dann Jahwe zu danken", so Wildfeuer. Das Weibliche wurde aus Kultstätten verbannt, Erotik und Sexualität - einstmals sinnbildlich für göttliche Schöpferkraft - wurden tabuisiert und dämonisiert. Dabei gibt es im Alten Testament viele Stellen, an denen die weiblichen Attribute Gottes durchschimmern, wo Gott als Mutter oder als Glucke beschrieben wird.
Gott ist weder männlich noch weiblich
"Die offizielle Lehre hat sich in diesem Punkt schon seit jeher klar von der Volksfrömmigkeit unterschieden", erklärt Wildfeuer. Das Weibliche hat in der Marienverehrung in der katholischen Kirche Spuren hinterlassen. Doch während Maria von den (katholischen) Gläubigen schon seit Jahrhunderten verehrt wurde, hat sich die Amtskirche dem Marienkult erst deutlich später zugewandt. In den 70er und 80er Jahren hat darüber hinaus die feministische Theologie die weibliche Seite Gottes betont und erörtert.
Die Ausstellung in Würzburg versucht, die Brücke zwischen altorientalischen Göttinnen und der heutigen Sicht auf Frauen zu schlagen, die einerseits gleichberechtigt sind, zugleich aber auch von Männern als Sexsymbole, als schönste oder als mächtigste Frau der Welt regelrecht vergöttert werden, erläutert Wildfeuer. Aus den 14 Kapiteln der Original-Ausstellung aus der Schweiz wurden für die Würzburger Variante die fünf Themenräume Weisheit, Vitalität, Anblick, Macht und Mutter ausgewählt.
Skarabäus mit Baumgöttin, 1700-1550 v. Chr. Foto: BIBEL+ORIENT Museum Fribourg/Schweiz
Die antiken Objekte werden moderner Kunst gegenübergestellt. Hierfür haben die Veranstalter den Berufsverband Bildender Künstlerinnen und Künstler (BBK) Unterfranken ins Boot geholt. Der BBK hat einen Wettbewerb für die Ausstellung "Gott weiblich" ausgeschrieben, die Stücke der Sieger werden in der Stephanskirche zu sehen sein. Die moderne Kunst soll "in den Dialog mit den alten Göttinnen treten", erläutert Wildfeuer.
Die Ausstellung wird bundesweit beworben, sie ist eine theologische, archäologische und auch künstlerische Auseinandersetzung mit der göttlichen Weiblichkeit. "Heute gilt in der Theologie die gängige Lehrmeinung, dass Gott weder männlich noch weiblich ist", sagt Wildfeuer. Die Ausstellung will dem Besucher bewusst machen, "dass man Gott mit den Krücken menschlicher Worte nicht beschreiben kann", sagt Wildfeuer. So scheine er mal eher als Mann, mal als Frau.