Jena (epd) Dem erheblichen Aufwand an Zeit und Kosten stehe kein hinreichender Nutzen für die Personalauswahl gegenüber, fassen die Autoren der Studie vom Fachbereich Betriebswirtschaft der Hochschule, Steffi Grau und Klaus Watzka, ihr vernichtendes Urteil zusammen.
Babylonische Sprachverwirrung
Dabei machen den Experten drei Dinge besonders zu schaffen. Den Verfassern der Zeugnisse fehle es oft selbst an eigener Expertise für diese Tätigkeit. Dazu würden Zeugnisse kaum noch individuell verfertigt. Statt selbst zu schreiben, griffen die Autoren auf Versatzstücke aus dem Internet oder auf PC-gestützte Zeugnisgeneratoren zurück. Auf der anderen Seite verstünden die Mitarbeiter in den Personalabteilungen die verwendeten Formulierungen nicht wirklich.
"Es existiert eher babylonische Sprachverwirrung als eine einheitliche, eindeutige Zeugnissprache, diese gehört ins Reich der gut gepflegten Mythen und Legenden", so die Wissenschaftler.
Appell für radikale Lösung
Als eine Ursache für das Dilemma haben die Experten die deutsche Rechtsprechung ausgemacht. Die verlange zwar wahre, aber eben auch wohlwollende Formulierungen. Dadurch dominiere bei vielen Unternehmen offenbar die Angst vor juristischen Auseinandersetzungen. In der Praxis spielten Zeugnisse bei der Personalauswahl eine untergeordnete Rolle. Wichtiger für die Entscheidungen sind demnach Lebenslauf und Anschreiben.
Die Jenaer Wissenschaftler treten deshalb für eine radikale Lösung ein. Allerdings müsse bei einer kompletten Abschaffung der Zeugnispflicht sichergestellt werden, dass ein ausscheidender Arbeitnehmer eine alternative Bestätigung über seine ausgeübten Tätigkeiten und wahrgenommenen Funktionen erhält.
Für ihre Studie werteten ihre Autoren nach eigenen Angaben getrennte Fragebögen von Zeugniserstellern (insgesamt 97) und Zeugnisauswertern (89) aus. Von den jeweils angeschrieben 500 Unternehmen habe fast jedes fünfte geantwortet.