Was genau macht Hochzeiten zu einem solch attraktiven, immer wieder gern variierten Filmsujet?
Sönke Wortmann: Die Hochzeit ist immer noch eines der großen Themen. Die meisten Menschen heiraten mindestens einmal oder sie haben gute Gründe, es nicht zu tun. Aber ein Thema ist es immer. Heiraten wird ja meistens mit sehr viel Gefühl und Romantik verbunden. Der Hochzeitstag gilt gemeinhin als der schönste Tag im Leben. Manchmal ist er es wirklich und manchmal ist das auch nur eine Legende. Bei solch idealisierten Vorstellungen kann natürlich auch besonders viel schief gehen und deshalb sind Hochzeiten ein gutes Feld für Komödien.
Ist Heiraten bei jungen Menschen heute ein wichtigeres Thema als es in Ihrer Generation der Fall war?
Die Seite des Films "Das Hochzeitsvideo"
Wortmann: Ich bin ja eher so ein Achtundsechziger-Nachkömmling. In meiner Generation wurde entweder nicht geheiratet, weil man bestimmte Konventionen nicht erfüllen wollte, oder wenn dann höchstens um ein paar Steuern zu sparen und auf keinen Fall kirchlich. Man wollte keine Gefühlsduselei. Damals war es uncool – auch wenn das Wort noch nicht gab – mit Zeremonie zu heiraten. Das kam natürlich als Reaktion auf die fünfziger Jahre, wo Hochzeiten eine wahnsinnig spießige Angelegenheit waren. Heute hat sich der Zeitgeist wieder geändert. Wenn die Jüngeren heute heiraten, dann zelebrieren sie das mit Freude. Das finde ich auch richtig so. Denn eine Hochzeit hat nun einmal etwas mit Romantik zu tun.
In Hollywood ist die Hochzeitskomödie mittlerweile ein eigenständiges Genre. Inwieweit lehnen Sie sich an amerikanische Vorbilder an?
Wortmann: Die Entscheidung diesen Film zu machen fiel, bevor ich "Hangover" gesehen hatte. Ich finde den Film großartig, aber er hat mich auch erschreckt, weil er in seiner Gewagtheit nicht zu toppen ist. Seit "Hangover" kann man im Kino eigentlich keinen Junggesellenabschied mehr erzählen. Deshalb haben wir uns auch auf die Mädels konzentriert. Inzwischen gibt es zwar "Brautalarm", aber der kam erst nach Abschluss unserer Dreharbeiten ins Kino.
"Ich wollte gezzielt mit unbekannten Leuten vom Theater arbeiten"
Ihr Film "Der bewegte Mann" gehörte in den Neunzigern zu den wichtigsten Vertretern der deutschen Beziehungskomödie. Wie hat sich seitdem die deutsche Filmlandschaft verändert?
Wortmann: Insgesamt sind die deutschen Filme einfach besser geworden. Es wird eine größere Bandbreite von Genres bedient und auch in handwerklicher Hinsicht hat sich einiges getan.
"Das Hochzeitsvideo" simuliert den dokumentaren Stil eines Hochzeitsfilmers. Wie dreht man einen Film, der aussehen soll, als wären seine Bilder zufällig entstanden?
Wortmann: Wenn etwas improvisiert aussehen soll, muss man es umso genauer vorbereiten. Das, was man auf der Leinwand sieht, ist zu 95 Prozent auch das, was vorher besprochen wurde. Selbst die chaotischsten Szenen wurden genau choreographiert und durchgeprobt. Die Arbeit mit den Schauspielern ist hier deutlich anspruchsvoller als bei den Filmen, die ich vorher gemacht habe. Das Konzept verlangt, dass man nicht oder möglichst wenig schneidet, und deshalb müssen die Schauspieler in der Lage sein, lange Szenen mit dem richtigen Timing zu spielen.
Haben Sie deshalb vornehmlich mit jungen, weitgehend unbekannten Schauspielern gearbeitet?
Wortmann: Das war Teil des Konzepts. Mit einem Schweighöfer als Bräutigam wäre die angestrebte Authentizität nicht möglich gewesen. Ich wollte gezielt mit unbekannten Leuten vom Theater arbeiten. Wenn man als Schauspieler zuviel Film und Fernsehen macht, kann man bestimmte Dinge verlernen, weil man Fehler ja immer wieder herausschneiden kann. Das ging bei unserem Konzept nicht so einfach. Die Schauspieler mussten über lange Szenen hinweg ohne Unterbrechung auf einem bestimmten Niveau spielen und das können nach meiner Erfahrung nur die, die schon einmal am Theater richtig rangeklotzt haben.
War dieser Film genau das richtige Gegengift nach einem Großprojekt wie "Die Päpstin"?
"Bei einem Film wie 'Das Hochzeitsvideo' kommt man in einen Raum und kann gleich loslegen"
Wortmann: Das kann man so sagen. So ein Historienfilm ist immer ein großer Aufriss. Kostüme, Maske und Ausstattung erfordern eine enorme Vorbereitungszeit. Bei einem Film wie "Das Hochzeitsvideo" kommt man in einen Raum und kann gleich loslegen. Das war für mich in diesem Moment genau das Richtige. Das heißt nicht, dass mir das mehr Spaß gemacht hat, aber es war gut, dass ich nach "Die Päpstin" etwas ganz anderes machen konnte.
Haben Ihnen Ihre Dokumentarfilm-Erfahrungen, die Sie in "Deutschland – ein Sommermärchen" gesammelt haben, bei diesem Projekt geholfen?
Wortmann: "Das Hochzeitsvideo" ist ein Quasi-Dokumentarfilm, weil wir ja behaupten, dass der Hochzeitsfilmer das alles dreht. Beim "Sommermärchen" musste ich auf das Geschehen in der Kabine mit der Kamera sehr schnell reagieren und das ahmen wir in diesem Film nach. Als Stilmittel war das für mich eine gelungene Abwechslung, weil ich ja sonst eher klassisch inszeniere und immer genau weiß, aus welchem Kamerawinkel ich welches Bild aufnehmen will.
Geht der Film auch gezielt auf die modernen Sehgewohnheiten im Zeitalter von YouTube und Reality-Shows zu?
Wortmann: Nein, damit habe ich überhaupt nichts am Hut. Ich schaue im Prinzip gar kein Fernsehen und erst recht keine Reality-Shows. Ich bin nicht einmal bei "Facebook" und auf "YouTube" gehe ich nur, wenn ich bestimmte Bundesligatore verpasst habe.
Wie hat sich die Haltung zum Medium Film geändert, dadurch dass heute jeder eine Kamera in der Hand hält?
Wortmann: Jeder ist heute technisch in der Lage einen Film zu drehen, aber da fehlen eben noch so einige Schritte, bis daraus auch ein brauchbarer Kinofilm wird. Für Experimentalfilme ist das Internet ein gutes Medium. Aber ein Kinofilm – das ist eine ganz andere Sache.