Berlin (epd) Der Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) warnt vor zunehmenden gravierenden Sicherheitsmängeln in deutschen Atommeilern und fordert deshalb einen vorgezogenen Ausstieg aus der Kernkraft. Kurz vor dem fünften Jahrestag des Reaktorunglücks von Fukushima vom 11. März 2011 heißt es in einer am Dienstag in Berlin vorgestellten Studie, in jedem deutschen Atomkraftwerk sei jederzeit ein schwerer Unfall möglich. Das werde inzwischen auch von den Behörden so gesehen. Erforderliche umfangreiche Katastrophenschutzpläne seien aber nicht vorhanden, kritisiert Oda Becker, Verfasserin der Studie "Atomkraft 2016 - sicher, sauber, alles im Griff?"
Bis Ende 2022 vom Netz
Eigentlich dringend nötige Nachrüstungen und Sicherheitsüberprüfungen der deutschen Atomkraftwerke (AKW) würden mit Blick auf die verbleibenden Restlaufzeiten der zum Teil altersschwachen Atommeiler nicht mehr vorgenommen. Auslöser eines schweren Unfalls könnten ein Erdbeben wie im Fall von Fukushima, ein Flugzeugabsturz oder ein Terroranschlag sein, schreibt Becker. Die letzten deutschen AKW sollen Ende 2022 endgültig vom Netz gehen.
Aber selbst wenn sämtliche Atomkraftwerke schließlich abgeschaltet seien, endeten die Risiken der Atomkraft in Deutschland noch lange nicht, warnte die Physikerin. Der hochradioaktive Atommüll müsse dann für weitere Jahrzehnte in Zwischenlagern wie Gorleben, Lubmin und Ahaus verbleiben. Diese seien bislang nur unzureichend gegen Flugzeugabstürze und Terrorgefahren geschützt, auch wenn zurzeit begrenzte Nachrüstungen unter Ausschluss der Öffentlichkeit erfolgten.
Bislang fehle zudem in den Brennstäbelagern die Möglichkeit zur Reparatur von Castor-Behältern. Diese werden derzeit in den AKW repariert. Diese Möglichkeit entfällt, wenn die Atommeiler zurückgebaut werden. "Es muss jetzt diskutiert werden, wie die Zwischenlagerung weitergehen soll, welche Nachrüstungen erforderlich sind und auch ob eventuell Neubauten die alten Lager ersetzen müssen", forderte Becker.
BUND: Atommüll noch in tausenden Jahren Thema
Mit der Stilllegung von inzwischen neun Atomreaktoren sei zwar ein erster Schritt getan, sagte der BUND-Vorsitzende Hubert Weiger. Der Weiterbetrieb der acht Reaktoren Gundremmingen B und C, Philippsburg, Grohnde, Emsland, Isar, Brokdorf und Neckarwestheim berge jedoch nach wie vor enorme Risiken: "Wir fordern deshalb die Beschleunigung des Atomausstiegs und seine Festschreibung im Grundgesetz."
Auch müsse bei den Hinterlassenschaften der atomaren Altlasten für die Betreiber weiterhin das Verursacherbetrieb gelten, betonte Weiger. "Sie dürfen nicht aus der Haftung entlassen werden. Die Gewinne privatisieren, aber die Folgekosten auf die Gemeinschaft abwälzen - das geht nicht", unterstrich der BUND-Chef. Mit dem Atommüll werde die Menschheit noch in tausenden Jahren zu tun haben.
Die von der Bundesregierung eingesetzte Atomkommission hat vorgeschlagen, dass die vier Betreiberkonzerne Eon, RWE, Vattenfall und EnBW nur rund 18 Milliarden der vorhandenen 38,3 Milliarden Euro an Rückstellungen in einen Fonds zur Bewältigung der Hinterlassenschaften einzahlen müssen, um die Unternehmen nicht in den Ruin zu treiben. Der BUND-Vorsitzende nennt das einen "Kuhhandel zulasten kommender Generationen". "Die Möglichkeit, dass der Steuerzahler für die enormen Folgekosten aufkommen muss, ist damit sehr real", kritisierte Weiger. Daran zeige sich, dass das Argument des billigen Atomstroms immer ein Märchen gewesen sei: "Atomstrom ist der teuerste Strom, der je erzeugt wurde."