Weniger Kontrollen im ersten Jahr des Mindestlohns

Weniger Kontrollen im ersten Jahr des Mindestlohns
Um den gesetzlichen Mindestlohn durchzusetzen, brauche es genug Kontrollen, hat Arbeitsministerin Nahles gesagt, als die Lohnuntergrenze von 8,50 Euro eingeführt wurde. Nun zeigt sich: Im ersten Jahr gab es ein Drittel weniger Kontrollen als zuvor.

Berlin (epd)Im ersten Jahr des gesetzlichen Mindestlohns sind weniger Betriebe auf die Einhaltung der Lohnuntergrenzen überprüft worden als im Vorjahr. Das geht aus einer Antwort des Bundesfinanzministeriums auf eine Anfrage der Grünen im Bundestag hervor, die dem Evangelischen Pressedienst (epd) vorliegt. Zuerst hatte die "Süddeutsche Zeitung" (Freitagsausgabe) darüber berichtet. Demnach prüfte die Finanzkontrolle Schwarzarbeit beim Zoll knapp 43.700 Betriebe. 2014 waren es noch etwa 63.000. Das entspricht einem Rückgang von gut 30 Prozent.

Kontrolle hat zu wenig Personal

In der für Schwarzarbeit besonders anfälligen Baubranche ist die Zahl der Kontrollen sogar um fast die Hälfte auf knapp 17.000 Betriebe gesunken. Die Sprecherin für Arbeitnehmerrechte bei den Grünen, Beate Müller-Gemmeke, erklärte: "Es ist absurd, dass gerade im ersten Jahr nach der Einführung des gesetzlichen Mindestlohns weniger kontrolliert wurde. Das Gegenteil hätte der Fall sein müssen." Die Grünen-Politikerin hatte die Anfrage gestellt. Zudem müssten die Kontrolleure ihre Prüfungen in den Branchen ausweiten, in denen keine Tarifverträge gelten, forderte Müller-Gemmecke.

Die Finanzkontrolle soll Schwarzarbeit aufdecken, ist aber auch dafür zuständig, die Einhaltung des Mindestlohns von 8,50 Euro pro Stunde zu überwachen. Aus der Antwort der Bundesregierung geht hervor, dass die Kontrolle immer noch zu wenig Personal hat. Von 6.865 Planstellen waren im vorigen Jahr 600 nicht besetzt. Knapp 200 zusätzliche Mitarbeiter wurden wieder abgezogen, um im Bundesamt für Migration und Flüchtlinge und bei der Bundespolizei auszuhelfen. Die für die Mindestlohn-Kontrollen 1.600 zugesagten zusätzlichen Stellen würden "erst in den Haushaltsjahren 2017-2022 zur Verfügung gestellt", heißt es in der Antwort.

Die Gewerkschaften forderten Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) auf, die Finanzkontrolle Schwarzarbeit umgehend zu stärken. Der Bundesvorsitzende der Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt (IG BAU), Robert Feiger, erklärte, der Rückgang der Kontrollen am Bau "übersteigt unsere schlimmsten Befürchtungen".

Einzelne Kontrollen aufwendiger

Laut Finanzministerium hat die Finanzkontrolle Schwarzarbeit 2015 zwar weniger Betriebe kontrolliert, zugleich aber knapp neun Prozent mehr Ermittlungsverfahren wegen Verstößen gegen den Mindestlohn eingeleitet als 2014. Die Mindestlohnverfahren machen etwa fünf Prozent aller Ermittlungsverfahren aus. Insgesamt leitete die Finanzkontrolle Schwarzarbeit wegen aller infrage kommenden Verstöße im vorigen Jahr fast 128.500 Ermittlungsverfahren ein, gut sechs Prozent weniger als im Vorjahr.

Ein Sprecher des Ministeriums sagte zur Begründung, die einzelnen Kontrollen seien aufwendiger als früher. Daher könnten bei gleichem Personal nicht so viele Betriebe geprüft werden. Laut Finanzministerium sollen die Kontrolleure vorwiegend dorthin gehen, wo sie am ehesten Verstöße vermuten. Die Finanzkontrolle Schwarzarbeit ist den Angaben zufolge zuständig für die Mindestlohn-Kontrolle in knapp zwei Millionen Betrieben mit insgesamt rund 34 Millionen Beschäftigten.