2. Woche: Ich lad euch ein (Mt 9,9–12)
Und als Jesus von dort wegging, sah er einen Menschen am Zoll sitzen, der hieß Matthäus; und er sprach zu ihm: Folge mir! Und er stand auf und folgte ihm. Und es begab sich, als er zu Tisch saß im Hause, siehe, da kamen viele Zöllner und Sünder und saßen zu Tisch mit Jesus und seinen Jüngern. Als das die Pharisäer sahen, sprachen sie zu seinen Jüngern: Warum isst euer Meister mit den Zöllnern und Sündern? Als das Jesus hörte, sprach er: Die Starken bedürfen des Arztes nicht, sondern die Kranken.
Liebe Mitfastende,
willkommen in der zweiten Woche ohne Enge! Ich hoffe, Sie konnten sich bereits wohlfühlen in der Weite. In dieser Woche lautet das Motto: "Ich lad euch ein." Das geht natürlich wieder auf die Bibelstelle zurück, die ausgesucht wurde. Diese kleine Episode für diese Woche hat sozusagen noch Geschwister in der Bibel: Jesus beruft einen Zöllner und isst mit ihm. Viele Leute beschweren sich darüber, und Jesus beendet das Ganze mit einem wohlgesetzten Ausspruch. Das kommt auch in den Evangelien von Markus und von Lukas vor. Spannenderweise haben die Berufenen in allen drei Evangelien unterschiedliche Namen. Bei Matthäus heißt er Matthäus, bei Markus Levi (Mk 2,13-17) und bei Lukas ist es der berühmte Zachäus, der auf einen Baum steigt, um Jesus sehen zu können, als der vorbeikommt (Lk 19, 1-10). In jedem Fall aber gibt es im Anschluss Kopfschütteln, Schnauben, Augenbrauenhochziehen und Naserümpfen, weil Jesus sich mit jemandem an einen Tisch setzt, der schlichtweg nicht passt. Es ist ja nicht so, dass Matthäus, Levi oder Zachäus unverschuldet in die Lage gekommen wären, dass alle Welt sie meidet. Zöllner manövrieren sich in vollem Bewusstsein ins Abseits, weil es ein lukratives Abseits ist. Und ausgerechnet so einen lädt Jesus ein!
Die Reaktion der Rechtschaffenen kommt als Frage daher: "Warum macht er das?" Diese Frage will aber gar keine Antwort bekommen. Es ist eine rhetorische Frage: "Wie kann er nur!" Und die da fragen, richten sich nicht einmal an Jesus selbst. Sie fragen seine Jünger. Bei Zachäus wird das noch deutlicher. Da ist es keine Frage mehr, es heißt nur noch: Sie murrten und sprachen: "Bei einem Sünder ist er eingekehrt!" Man kann förmlich sehen, wie sich ihre Gesichter verziehen – vor Ablehnung. Ihnen ist die Abscheu ins Gesicht geschrieben, ihr ganzer Körper drückt die Enge aus, in der sie sich befinden.
Jeder Mensch kennt dieses Gefühl: Ich muss etwas, das ich ablehne, auch abwehren. Solche Abwehr baut auch körperliche Spannung und Enge auf. Darum schlage ich Ihnen für diese Woche vor, Abwehr zu erkennen und zu Einladung zu machen. Nur so kann aus Ablehnung Annahme werden. Und die macht alle Beteiligten freier.
Erster Schritt – Abwehr merken
Für diesen Schritt brauchen Sie einen Spiegel, dann fällt es leichter. Zunächst suchen Sie sich einen Grund, warum Sie sich gern Gäste einladen möchten. Das kann Ihr nächster Geburtstag sein, ein gelungenes Projekt oder einfach ein neues Rezept, das Sie gern einmal für liebe Menschen kochen möchten. Jeder Grund ist gut. Wichtig ist, dass Sie sich ausmalen können, wie sehr Sie sich darauf freuen, dass Sie Gäste bekommen. Nun gehen Sie im Geiste durch, wen Sie gern einladen möchten. Nehmen Sie nur diejenigen in den Blick, die Sie wirklich gern als Gast haben möchten. Weiden Sie sich ein paar Augenblicke an der Aussicht, dass alle zusagen und Ihre Einladung ein voller Erfolg wird.
Stellen Sie sich nun eine Person vor, die Sie tatsächlich persönlich kennen und die Ihre Feier durch ihr Erscheinen ruinieren würde. Erlauben Sie Ihrem Geist, sich diese Person im Kreise Ihrer lieben Gäste vorzustellen, und erlauben Sie Ihrem Körper, die Ablehnung gegen diesen Menschen auszudrücken. Wehren Sie die Person mit ihren Augen ab! Was geschieht mit Ihren Augen? Wehren Sie diese Person mit Ihrem Mund und Ihrem ganzen Gesichtsausdruck ab! Was geschieht mit Ihrem Kopf? Was tun Ihre Schultern? Was möchten Sie mit Ihren Händen tun, um dieser Person zu zeigen, dass sie unerwünscht ist? Nehmen Sie eine entsprechende Haltung ein und beobachten Sie sich im Spiegel. Wenn Ihnen noch mehr einfällt, wie Sie mit Ihrem Körper Ihre Ablehnung ausdrücken können, tun Sie das. Machen Sie sich ganz eng und schauen Sie sich dann an. So sehen Sie aus, wenn Sie sich gegen andere Menschen eng machen. Natürlich ist das eine Übertreibung, eine Karikatur, aber das ist Ihre Abwehr gegen ungebetene Gäste. Prägen Sie sich die einzelnen Merkmale ein, die Sie erkennen.
Zweiter Schritt – locker lassen und weit werden
Nun ist es dringend an der Zeit, dass Sie Ihre angespannte Haltung lösen. Doch tun Sie das ebenso bewusst, wie Sie sie eingenommen haben. Lockern Sie nacheinander sämtliche Spannungen, die Sie aufgebaut haben. Wenn Sie die Schultern hochgezogen haben, lassen Sie sie nun fallen. Wenn Sie die Fäuste geballt haben, machen Sie Ihre Hände wieder auf. Wenn Sie die Lippen aufeinandergepresst haben, entspannen Sie sie. Eine gerümpfte Nase soll nun wieder glatt werden, Ihre Haltung entspannt wie Ihr Gesicht. Wenn Sie merken, dass immer noch etwas spannt, dann spannen Sie diesen Muskel noch einmal besonders an, bevor Sie ihn loslassen.
Dritter Schritt – weit bleiben
Stellen Sie sich nun noch einmal die Person vor, die Sie mit Ihrem Körper abgewehrt haben. Achten Sie dabei darauf, dass Sie keine der Anspannungen oder Gesten machen, die Sie eben taten. Die Person steht nun einfach vor Ihrem inneren Auge. Betrachten Sie sie! Sie kann Ihnen gerade nichts anhaben, also können Sie sie einfach anschauen. Was für eine Geste könnten Sie machen, um auf diese Peron einladend zu wirken? Was würden Sie tatsächlich hinbekommen? Vielleicht eine Geste mit den Augen? Oder mit der Hand? Schaffen Sie ein Lächeln? Was immer Sie tun, achten Sie darauf, dass Sie sich dabei nicht wieder anspannen. Wenn ein Lächeln nicht klappen will, dann überlegen Sie sich etwas anderes. Probieren Sie!
Dann lassen Sie die Person gehen und schauen Sie sich noch einmal selbst im Spiegel an. Sehen Sie einladend aus? Nein? Dann schauen Sie so, wie Sie Ihre Freunde ansehen, wenn Sie Ihre Einladung aussprechen. Machen Sie sich so weit, wie es Ihnen möglich ist.
Achten Sie in dieser Woche auf Ihre Abwehr und Enge ebenso wie auf Ihre Weite und Einladung. Wo es Ihnen möglich ist, lassen Sie Ihre Abwehr sinken. Das geht nicht immer. Aber viel öfter, als man zunächst meinen möchte. Merken Sie auf, wenn Sie sich verspannen, und lassen Sie immer wieder locker.
Ich wünsche Ihnen von Herzen eine gute Woche!
Ihr Frank Muchlinsky