Berlin (epd)Im Diesel-Abgasskandal erhöhen die Automobilhersteller offenbar den Druck auf unabhängige Gutachter. "Vor jeder weiteren Veröffentlichung von Prüfergebnissen von uns getesteten Diesel-Pkw wird uns gedroht und vor den Folgen gewarnt", sagte der Bundesgeschäftsführer der Deutschen Umwelthilfe (DUH), Jürgen Resch, am Dienstag in Berlin. Das Ganze habe Ausmaße angenommen, die er in seiner 29-jährigen Tätigkeit so noch nicht erlebt habe. "Das ist eine neue Qualität des Drucks", stellte Resch fest.
Mit Millionen-Strafen gedroht
So habe Daimler eine Klageandrohung gegen die Umwelthilfe mittlerweile auch persönlich auf ihn ausgeweitet - offenbar die "neueste Masche", wie der Bundesgeschäftsführer sagte. Per einstweiliger Verfügung würden Resch sechs Monate Haft oder 250.000 Euro Strafe angedroht, sollte die DUH weiterhin den Schriftverkehr zwischen Daimler und der Umwelthilfe veröffentlichen. Auch mit Millionen-Strafen, die zur umgehenden Insolvenz der DUH führen würden, sei bereits von Herstellern gedroht worden, sagte Resch.
Am Dienstag veröffentlichte die Umwelthilfe trotzdem erneut die Prüfergebnisse eines in ihrem Auftrag getesteten Diesel-Pkw. Der Fiat SUV 500X 2.0 MJ überschritt bei der Abgasprüfstelle der Berner Fachhochschule in der Schweiz den geltenden Grenzwert für Euro-6-Fahrzeuge um das 11- bis 22-fache. Während mit kaltem Motor Werte nahe dem Euro-6-Grenzwert von 80 Milligramm Stickoxid pro Kilometer gemessen wurden, kam der SUV Fiat im betriebswarmen Zustand auf einen Wert von 1.777 Milligramm und darüber, sagte der Verkehrsexperte Axel Friedrich.
Die gemessenen Stickoxid-Emissionen des Fiat stellten einen klaren Verstoß gegen das EU-Zulassungsrecht dar, kritisierte Resch. "Damit mutiert der VW-Skandal endgültig zum Diesel-Skandal nicht nur deutscher Hersteller", fügte er hinzu. Mit dem Fiat 500X reihe sich nun ein italienisch-amerikanischer Automobilkonzern in den Kreis der schmutzigen Dieselhersteller ein.
Stark erhöhte Stickoxid-Werte
In den vergangenen Monaten hatte die Deutsche Umwelthilfe bereits bei Opel, Renault, BMW und Mercedes stark erhöhte Stickoxid-Emissionen festgestellt. "Die verantwortlichen Vorstände der Unternehmen, die in vollem Wissen der extrem erhöhten Stickoxid-Emissionen unter normalen Fahrbedingungen derart schmutzige Diesel-Pkw verkaufen, machen sich tausendfacher vorsätzlicher Körperverletzung mit Todesfolge schuldig", warnte Resch.
Schwere Vorwürfe erhob der DUH-Bundesgeschäftsführer auch gegen das Bundesverkehrsministerium. Minister Alexander Dobrindt (CSU) habe offenbar kein Interesse an einer Aufklärung des Diesel-Abgasskandals, sagte Resch. Bitten der DUH um Gespräche würden abgelehnt, seit September erhalte die DUH nicht einmal Eingangsbestätigungen für übersandte Schreiben und übermittelte Abgasmessungen. Stattdessen fänden interne Gespräche zwischen Ministerium und Herstellern statt, die nicht veröffentlicht würden.
Bereits vor fünf Jahren, am 11. Februar 2011, habe die Deutsche Umwelthilfe das Ministerium bei einem Treffen über die stark erhöhten Stickoxid-Werte bei dem umstrittenen VW-Passat informiert. "Wäre damals staatlicherseits gehandelt worden, hätte der VW-Skandal so verhindert werden können", sagte Resch. Passiert sei stattdessen nichts. Nachfragen der Linken-Bundestagsfraktion hätten ergeben, dass von dem Treffen keine Gesprächsprotokolle in dem Ministerium existieren. "Dabei hatten wir damals mit allen relevanten Beamten gesprochen", sagte Resch. Er sieht darin einen politisch-industriellen Komplex, der zerschlagen werden muss.