Schweizer Kirchenbund lehnt Volksinitiative zur Ausweisung ab

Schweizer Kirchenbund lehnt Volksinitiative zur Ausweisung ab
In der Schweiz stößt eine Initiative, mit der die Ausweisung von Ausländern nach wiederholten geringen Delikten erleichtert werden soll, bei der evangelischen Kirche und Rechtsprofessoren auf Widerspruch. Die sogenannte Durchsetzungsinitiative sei mit den rechtsstaatlichen Grundlagen der Schweiz unvereinbar, begründete der Schweizerische Evangelische Kirchenbund am Donnerstag die Ablehnung.

Ein Manifest, das bislang rund 120 Rechtswissenschaftler unterzeichnet haben, warnt vor einer Gefahr für den Rechtsstaat und appelliert an die Schweizer, die Volksinitiative abzulehnen.

Über die von der rechtskonservativen Schweizerischen Volkspartei (SVP) lancierte Vorlage gibt es am 28. Februar eine Volksabstimmung. In Schweizer Medien wird erörtert, inwieweit die Kölner Ereignisse aus der Silvesternacht den Ausgang der Abstimmung beeinflussen könnten. Im Herbst 2010 hatten die Schweizer bereits die "Ausschaffungsinitiative" angenommen. Danach soll allen Ausländern automatisch das Aufenthaltsrecht entzogen werden, wenn sie wegen bestimmter schwerer Delikte wie Mord, Vergewaltigung und Drogenhandel verurteilt werden. Auch wer missbräuchlich Sozialhilfe bezieht, muss das Land verlassen.

Familien würden ohne Rücksicht auf Fürsorgeverhältnisse willkürlich auseinandergerissen

Die Grundprinzipien der Gerechtigkeit und Verhältnismäßigkeit des Schweizer Strafrechts würden durch den "Ausschaffungsautomatismus" der aktuellen Vorlage außer Kraft gesetzt, kritisiert der Kirchenbund. Die willkürliche Addition von Straftaten, die automatisch zur Ausweisung führe, widerspreche den rechtsstaatlichen Grundsätzen über Sinn und Zweck von Strafe und Resozialisierung. Zudem würden Familien ohne Rücksicht auf Fürsorgeverhältnisse willkürlich auseinandergerissen, warnt der Zusammenschluss der reformierten Kirchen in der Schweiz.

Die Rechtsprofessoren rügen in ihrem Aufruf, mit der Annahme der Durchsetzungsinitiative würde das richterliche Ermessen bei der Beurteilung der ausländerrechtlichen Folgen von Straftaten völlig ausgeschaltet. Richtern werde damit verboten, der Pflicht zur Berücksichtigung der gesamten Umstände nachzukommen. Damit würden von der Verfassung garantierte Grundsätze wie Verhältnismäßigkeit, Gewaltenteilung und Geltung der Grundrechte in der gesamten Rechtsordnung, "aus den Angeln gehoben". Zudem stehe die Initiative im Widerspruch zur Europäischen Menschenrechtskonvention und dem Freizügigkeitsabkommen mit der EU, argumentieren die Professoren.

 

Vor der umstrittenen SVP-Initiative warnen ebenfalls alle übrigen Parteien und ein Bündnis gesellschaftlicher Organisationen. Sie äußern die Sorge, bei einer Annahme könnten künftig auch wegen weniger gravierender Taten Ausländer ausgewiesen werden, die in der Schweiz geboren sind.