Evangelische und katholische Bischöfe haben an Heiligabend zu Solidarität und Offenheit gegenüber Flüchtlingen aufgerufen. "Wer sich in Gott beheimatet weiß, der kann anderen mit einer ungeahnten Freiheit und Großzügigkeit begegnen", sagte der katholische Bischof Stephan Ackermann im ARD-Fernsehgottesdienst in Püttlingen bei Trier. Wer glaube, brauche sich nicht misstrauisch gegenüber anderen abzugrenzen. Der Ratsvorsitzende der evangelischen Kirche, Heinrich Bedford-Strohm, feierte im Münchner Hauptbahnhof eine Christvesper mit rund 200 Flüchtlingen, freiwilligen Helfern und Passanten.
Ein Bahnhof sei ein passenderer Ort für die Weihnachtsbotschaft als Kirchen oder eine romantische Weihnachts-Kulisse, sagte Bedford-Strohm in der Schalterhalle des Starnberger Flügelbahnhofs. Hier trafen zwar laut Polizei an Heiligabend keine neuen Flüchtlinge ein, waren aber in den vergangenen Monaten Zigtausende angekommen. Auch Jesus sei auf der Durchreise geboren worden, hinein in eine Welt voller, Hass, Armut und Gewalt, sagte der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD).
Die Weihnachtsbotschaft gebe auch die Kraft, die Herausforderungen durch Flucht und Vertreibung zu bestehen, sagte der bayerische Landesbischof weiter. Er habe große Hochachtung vor dem Engagement und den organisatorischen Fähigkeiten der Behörden und Hilfsorganisationen, die sich bei Unterbringung und Betreuung der Flüchtlinge gezeigt hätten.
Der hannoversche Landesbischof Ralf Meister mahnte weitere Hilfen für Flüchtlinge an. "Es bleibt eine große Herausforderung für uns, die wir Heimat haben, anderen zu helfen, gesicherte Lebensorte zu finden", sagte er in einem ZDF-Gottesdienst aus der voll besetzten historischen Stiftskirche in Fischbeck bei Hameln. Meister erinnerte daran, dass viele Deutsche vor 70 Jahren selbst Flüchtlinge gewesen seien.
Die Suche nach einem Raum zum Leben sei eine "menschliche Grundgeste", so der evangelische Landesbischof: "Die Heimatsuche durchzieht unsere ganze Existenz." Sie sei auch der Kern der Weihnachtsgeschichte. Maria und Josef seien ohne Obdach unterwegs, und niemand öffne ihnen die Tür. "Diese abwehrende Geste muss uns bis heute eine Mahnung sein."
Weihnachtsgeschichte aktueller denn je
Die Hamburger Bischöfin Kirsten Fehrs nannte die Weihnachtsgeschichte von der ärmlichen Geburt Jesu in einem Stall in diesem Jahr aktueller denn je. Sie verwies auf die Zigtausende Flüchtlingskinder, die nach Deutschland kamen. Sie bräuchten "unsere Hilfe, unsere Unterstützung und unsere Gebete". Der Essener katholische Bischof Franz-Josef Overbeck zog Parallelen vom derzeitigen Flüchtlingszuzug zur Herbergssuche von Maria und Josef vor Jesu Geburt. "Es ist eine neue Form der Herbergssuche, die Völkerwanderungen gleicht, die wir erleben", sagte er in seiner Predigt im Essener Dom und forderte, Menschen in Leid und Not müssten menschenwürdig empfangen und aufgenommen werden.
Der Berlin-brandenburgische Bischof Markus Dröge rief am Abend im Berliner Dom zu Zuversicht für das kommende Jahr auf. 2015 sei das "Jahr der Willkommenskultur" gewesen, nun brauche Deutschland "Mut und Vertrauen, die nächsten Schritte zu gehen". Es gehe darum zu lernen, das Land gemeinsam mit den ankommenden Flüchtlingen "als eine offene, gesprächsbereite, menschliche Gesellschaft zu gestalten".
Der Landesbischof der Nordkirche, Gerhard Ulrich, sagte in seiner Weihnachtsbotschaft, in der Anerkennung von Vielfalt als Reichtum und in der Ausübung von Toleranz gegenüber Fremden zeige sich das Christliche am Abendland. "Gott kennt keine Obergrenzen, wenn es um Schwache und Elende geht", sagte Ulrich vor dem Hintergrund der Diskussion um eine Begrenzung des Flüchtlingszustroms nach Deutschland. Gott "sendet uns zu denen, die verzweifelt Zuflucht suchen."
Terror, Fluchtbewegungen und Krieg stünden in starken Gegensatz zur Weihnachtsbotschaft "Frieden auf Erden", sagte der hessen-nassauische Kirchenpräsident Volker Jung in Darmstadt. Wirklicher Friede entstehe aber nur, wenn Menschen einander als gleichberechtigt annähmen. Jung lobte zugleich das Engagement vieler Freiwilliger für die Flüchtlingshilfe in Deutschland. In den Begegnungen erlebten Flüchtlinge und Helfer "Weihnachtsmomente vom Geheimnis des Lebens und des Friedens".
Auch der Oldenburger evangelische Bischof Jan Janssen und der pfälzische Kirchenpräsident Christian Schad riefen zur tätigen Hilfe für Menschen auf der Flucht auf. "Geben wir ab, teilen wir, was reichen wird, und helfen wir weiter", sagte Janssen in seiner Predigt zur Christnacht in der Oldenburger St. Lambertikirche.
Schad forderte dazu auf, Fremde nicht auszugrenzen und sich den Armen und Schwachen zuzuwenden. Jesus selbst sei Flüchtling gewesen. Der Kirchenpräsident warnte davor, sich von Ängsten vor Überfremdung sowie von fremdenfeindlichen Parolen leiten zu lassen. Die Welt brauche "eine Demonstration der Barmherzigkeit".