"Weihnachten kommt aber alle Jahre wieder", sagte der Hamburger Diplom-Psychologe dem Evangelischen Pressedienst (epd). Wenn nicht alles perfekt läuft, sollte man sich fragen, was genau einem wichtig ist. "Wir machen uns selbst Druck, weil wir eine Idealsituation herbeizaubern wollen, von der wir wissen, dass sie höchstwahrscheinlich nicht eintreten wird", sagte Wesner.
Der Psychologe glaubt, dass sich dieser Nimbus vom perfekten Weihnachtsfest sehr früh einprägt: "Ich vermute, dass wir in der Kindheit mindestens einmal, in der Regel sogar mehrere Male, dieses Gefühl von einem Abend voller Wunder und großem Glück empfunden haben." Das liege an der Besonderheit dieses Festes. Das Zimmer ist festlich dekoriert, Kerzen brennen, besondere Musik wird gespielt, Geschenke liegen unter einem geschmücktem Tannenbaum.
Wenn am Heiligen Abend nicht alles so läuft, wie wir uns das vorstellen, entstehe schnell Stress, sagte Wesner: "Und im Stress haben wir nicht die Mechanismen, um schwierigen Situationen aus dem Weg zu gehen." Wenn dann noch der Alkohol, die Wärme im Zimmer und ungeduldige Kinder dazukommen, könnten Konflikte schon mal hochkochen. "Man kann sich zwar an Kleinigkeiten hochziehen, letztlich geht es aber oft um alte Streit-Themen, auch aus der Kindheit", hat der Psychologe beobachtet.
Konflikte am Weihnachtstisch entstünden nicht aus heiterem Himmel. "Der Konflikt ist eigentlich immer da, nur an Weihnachten kann man ihm dann nicht mehr ausweichen", sagte Wesner. "Da kann man nicht einfach abwiegeln und Ausreden finden, dass man beispielsweise einem Freund oder einer Freundin helfen muss und sich einfach aus dem Staub macht. Das geht halt an Heiligabend nicht. Die schwierigen Themen sind also normalerweise auch da, aber sie werden sonst eben nicht aus- oder angesprochen." Aber auch wenn solche Themen vorhanden sind, müsse es nicht unbedingt Streit an Weihnachten geben.
Um Streit zu vermeiden, raten manche Psychologen dazu, gewisse Themen am Weihnachtstisch einfach auszulassen. "Das ist natürlich eine typische Therapeuten-Idee", räumt Wesner ein. Wichtig sei der Ansatz zu sagen: "Okay, es wird diese Bemerkungen geben. Aber nur weil das so ist, muss ich nicht gleich die Fassung verlieren. Das ist nun mal der Alltag, und wenn meine Mutter das so sieht, dann muss ich nicht ausgerechnet an Weihnachten ein Thema daraus machen."