Berlin (epd)"Deutsche Gerichtsverfahren entsprechen derzeit weder den internationalen menschenrechtlichen Anforderungen noch den Vorgaben des Europarats zu kindgerechter Justiz", heißt es in einer am Montag in Berlin veröffentlichten Studie des Deutschen Instituts für Menschenrechte. Jedes Jahr seien in Deutschland Hunderttausende Kinder und Jugendliche an Gerichtsprozessen beteiligt, etwa in Scheidungsverfahren der Eltern oder in Strafverfahren wegen sexuellen Missbrauchs.
Fortbildung zu Kinderrechten
Zwar sei in diesem Jahr etwa das Recht auf psychosoziale Prozessbegleitung sowie auf kindgerechte und sichere Warteräume im deutschen Recht verankert worden, erklärte Petra Follmar-Otto, Leiterin der Abteilung Menschenrechtspolitik Inland/Europa. Diese Vorgaben müssten jetzt jedoch in der Praxis konsequent umgesetzt werden. Zudem sollten beispielsweise Richter, die familienrechtliche Fälle übernehmen, verpflichtet werden, eine Fortbildung zu Kinderrechten und kindgerechter Anhörung zu machen. "Das ist derzeit nicht der Fall", unterstrich Follmar-Otto.
Unfreundlich behandelt
Die Studie basiert auf Interviews mit betroffenen Kindern und Jugendlichen. "Viele Kinder schilderten uns, dass sie nicht ausreichend über den Ablauf des Verfahrens sowie über ihre Rechte und Pflichten informiert waren", heißt es darin. Oft fühlten sie sich im Verfahren von Richtern und Anwälten nicht ernst genommen oder unfreundlich behandelt. Einige berichteten auch von Diskriminierungen durch das Gericht. "Viele Kinder und Jugendliche hatten das Gefühl, nicht als Menschen mit eigenen Rechten behandelt worden zu sein", sagte die Autorin der Studie, Annemarie Graf-van Kesteren.
Die Interviews mit Kindern und Jugendlichen hat das Deutsche Institut für Menschenrechte im Auftrag der Europäischen Grundrechteagentur (FRA) geführt. Ihre Ergebnisse sollen in die vergleichende europäische Studie "Child-friendly Justice" der FRA einfließen, die 2016 erscheinen wird.