Paris (epd)Er tritt korrekt und besonnen auf, wägt seine Worte. Manchmal aber, wenn Karsten Sach die komplexe Materie der Klimapolitik erläutert, gibt es kurze Momente der Selbstvergessenheit. Dann sagt er "du", wo er "man" meint: "Du musst Transparenzregeln schaffen"; "Du musst einen Kompromiss finden." Ein Anflug von Distanzverlust, der mit der beamtentypischen Zurückhaltung des 56-Jährigen kontrastiert.
Karsten Sach - hochgewachsen, schlank, kantig - ist Deutschlands wichtigster Klimadiplomat: Seit 1999 zieht er mit dem Klimazirkus um die Welt als Chef-Unterhändler der Bundesregierung. Er hat schlaflose Nächte in Bali, Kopenhagen, Durban und etlichen anderen Städten durchgestanden. Jetzt, bei der UN-Klimakonferenz in Paris will er dazu beitragen, dass ein globaler Klimavertrag zustande kommt. Neben den Konferenzsälen der Welt ist sein Arbeitsplatz das Bundesumweltministerium in Berlin, wo der promovierte Jurist seit 2004 die Unterabeilung für internationale Beziehungen leitet.
Der klimapolitische Bergführer
Seine Rolle ist die des Sherpas - des klimapolitischen Bergführers, der Steilhänge und Abgründe kennt, der den Weg zu den Entscheidungen weist, die letztlich die Regierungspolitiker treffen müssen. Die reisen meist dafür erst in der Schlussphase der Klimagipfel an. Karsten Sach hat etliche Umweltminister kommen und gehen sehen: Jürgen Trittin, Sigmar Gabriel, Norbert Röttgen, Peter Altmaier. Seine jetzige Chefin ist Barbara Hendricks (SPD).
Wenn er sich gemeinsam mit dem jeweiligen Ressortchef bei Gipfeln den Journalistenfragen stellt, besteht kein Zweifel, wer die Expertise besitzt - nicht selten lenkt er mit dezenten Ergänzungen die Worte der Vorgesetzten in die gewünschte Richtung. Auch sorgt er bei den allmorgendlichen Pressebriefings in Paris für gelegentliche Lacher, etwa wenn er konstatiert, dass die "Verhandlungen eher zirkulär" verlaufen, weil sie nicht vorankommen.
Obwohl Klimadiplomat durch und durch, ist Sach bewusst, dass die internationalen Verhandlungen alleine das Problem der Erderwärmung nicht lösen werden. Die riesige Aufgabe, die Weltwirtschaft umzugestalten, könne nicht vorab in einem Vertrag mit 196 Parteien in allen Details geregelt werden, sagt er: "Der Übergang von der Postkutsche zur Eisenbahn und später zum Auto und zum Flugzeug ist auch nicht staatlich vereinbart worden." Der Wandel müsse auch aus den Gesellschaften selbst hervorgehen.
Ein körperlicher Kraftakt
In Paris führt er etwa 30 deutsche Verhandler, deren Job in der heißen Phase auch körperlich zum Kraftakt wird. Dann ist an Schlaf nicht mehr zu denken. Selbst wenn die Gespräche offiziell unterbrochen sind, wird weiter in kleinen Runden beraten, werden Kompromisse ausgelotet, Tauschgeschäfte vereinbart. "Es ist immer noch interessant", sagt Sach, aber der Schlafentzug sei anstrengend. "Du meinst, dass du im Alter weniger Schlaf brauchst - aber dem ist nicht so." Die Belastung sei schwerer zu ertragen als mit Anfang 30.