Frankfurt a.M. (epd)Eine schöne Vorstellung: Überall am PC Geld verdienen, ob zu Hause in Pantoffeln oder im Schwimmbad. Diese Möglichkeit bietet Crowdworking. Dabei meldet man sich bei einer Internet-Plattform an, auf der unterschiedlichste Firmen Aufträge gegen Honorar anbieten. Ein typischer Job ist etwa: In einer halben Stunde soll der Auftragnehmer eine Produktbeschreibung für einen Elektrorasierer verfassen. Länge: 200 Zeichen. Das Honorar beträgt vier Euro. Ein anderes Beispiel: Für 200 Euro ist in den nächsten 14 Tagen eine neue Webseite zu erstellen.
Diese Geschäftsidee hat sich in den vergangenen zehn Jahren zu einem weltweit verbreiteten Arbeitsmodell entwickelt. Dabei zerteilen die Betreiber der Crowdworking-Plattformen die Aufträge der Unternehmen in kleine Einzeltätigkeiten. Diese Mikrojobs werden dann von den registrierten Honorarkräften bearbeitet. Am Ende fügen die Plattformen die Mikrojobs zusammen und schicken die fertiggestellten Aufträge zurück an die Unternehmen.
Keine Arbeitsverträge
Ein faires Geschäftsmodell? Christiane Benner, zweite Vorsitzende der IG Metall, sagt: "Bei angemessener Bezahlung kann das Geschäftsmodell zu mehr Autonomie und einer besseren Vereinbarkeit von Arbeit und Leben für Arbeitnehmer führen. Dafür bedarf es aber fairer Spielregeln." Bei diesen sehe die Gewerkschaft aber noch "erheblichen Nachholbedarf". Die wesentlichen Kritikpunkte der IG Metall: ein intransparentes Bezahlsystem für die Mikrojobs, keine sozialen Absicherungen und keine Mitbestimmungsrechte für die Crowdworker bei den Verträgen.
Tatsächlich schließen die Plattform-Betreiber keine Arbeitsverträge mit den Crowdworkern ab. Stattdessen werden die Arbeitsbedingungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) geregelt - meist ohne Mitspracherechte für die Internetnutzer. Entsprechend sind Mikrojobber auch nicht sozial abgesichert.
"Unsere Crowdworker sind freiberuflich auf unserer Plattform tätig und für ihre soziale Absicherung selbst verantwortlich", sagte Christian Rozsenich, Geschäftsführer der Crowdworking-Plattform "Clickworker.com". Um eine Leitlinie für ein respektvolles Miteinander aller Beteiligten des Geschäftsmodells zu schaffen, hat das Unternehmen den sogenannten Code of Conduct mitgestaltet und im Juli unterschrieben. Dabei handelt es sich um ein freiwilliges Regelwerk mehrerer deutscher Crowdworking-Anbieter. Eines der Gebote ist die Zahlung eines "angemessenen Honorars".
Großes Innovationspotenzial
"Clickworker.com" wurde 2005 in Essen gegründet. Inzwischen beschäftige die Plattform über 700.000 Internetnutzer weltweit, sagte Rozsenich. Viele davon seien Selbstständige und Studenten.
Weltweit arbeiten Millionen Internetnutzer als Crowdworker. Sie verfügen über die verschiedensten Kompetenzen und Fähigkeiten. Einer Studie der Hans-Böckler-Stiftung zufolge bietet das ein großes Innovationspotenzial. Auch die Arbeitsproduktivität könne durch die Zerlegung komplexer Projekte in Mikrojobs gesteigert werden.
Umgekehrt birgt die neue Arbeitsform der Studie zufolge aber auch Risiken. So könnten Firmen die ausgelagerten Arbeitsprozesse nur schwer kontrollieren. Zudem bestehe die Gefahr, Know-how an die Crowdworker zu verlieren. Auch Widerstände seitens der firmeneigenen Mitarbeiter seien möglich.
Noch ein Nischenphänomen
Nach Angaben des Bundesarbeitsministeriums handelt es sich bei Crowdworking in Deutschland noch um ein Randphänomen. Bei einer Anpassung des Arbeitsrechts an die neue Arbeitsform bestehe daher "kein akuter Handlungsbedarf", sagte eine Sprecherin des Ministeriums dem Evangelischen Pressedienst (epd). Dem stimmt auch der Arbeitgeberverband Gesamtmetall zu: "Derzeit spielt Crowdsourcing in der Industrie noch keine nennenswerte Rolle", erklärte Pressesprecher Martin Leutz.
In Zukunft muss laut Arbeitsministerium jedoch mit einer zunehmenden Verbreitung von Crowdworking in Deutschland gerechnet werden. Ob und wann das Geschäftsmodell tatsächlich auch eine quantitativ relevante Arbeitsform sein werde, lasse sich nicht mit Sicherheit abschätzen.