Der Mann, der mit den Haien schwimmt

epd-bild/Joe Bunni/ARTE
Der Fernsehsender ARTE zeigt die Arbeit von Joe Bunni am 21. November in dem Dokumentarfilm "5 Meter über und unter der Meeresoberfläche".
Der Mann, der mit den Haien schwimmt
Mit faszinierenden Fotos zeigt
Joe Bunni Schönheit und Bedrohung der Meere
Eigentlich ist Joe Bunni Zahnarzt in Paris. Aber sein Element ist das Meer. Er taucht, seit er acht ist. Mit der Kamera geht er auf Tuchfühlung mit Eisbären, Haien und Walrossen- und steht nun im Mittelpunkt eines Dokumentarfilms.
20.11.2015
epd
Martina Zimmermann (epd)

Paris (epd)Joe Bunni fotografiert, was es fünf Meter über und fünf Meter unter der Meeresoberfläche zu sehen gibt, und das ist spektakulär: Korallenriffe in Indonesien, Tigerhaie der Bahamas und Buckelwale in Französisch-Polynesien. Der 60-Jährige nähert sich einem Alligator in Florida und einer Eisbärmama in der Arktis. Der Fernsehsender ARTE zeigt seine Arbeit am 21. November in dem Dokumentarfilm "5 Meter über und unter der Meeresoberfläche". Er ist der Auftakt für einen Programmschwerpunkt "Ernstfall Klima" rund um die UN-Klimakonferenz, die am 30. November in Paris beginnt.

Regelmäßig Taucherbrille auf

Dabei sind Tauchen und Fotografieren nur Bunnis Hobbys. Von Beruf ist er Zahnarzt, lebt seit 1976 in Paris. Während Joe Bunni in seiner Praxis im elften Pariser Arrondissements bohrt, Implantate setzt oder Zahnstein entfernt, schauen die Patienten auf seine Unterwasserfotos: Sie flimmern auf einem Bildschirm über dem Zahnarztstuhl. Bunni lässt die Patienten an seinem Hobby teilhaben und erzählt ihnen von seinen Projekten: "Sie wissen ja, ein Zahnarzt redet viel".

Zur Welt kam der Wahl-Pariser in Ägypten. Die Mutter ist Engländerin, sein Vater Libanese. Die Familie lebte jahrelang in Kuwait - nicht weit weg vom Meer. Seit er acht Jahre alt war, ging Joe regelmäßig mit der Taucherbrille unter Wasser, jagte mit einer Harpune. "Sehr jung entdeckte ich, dass das Wasser mein Element war".

Inzwischen ist er mehr als 1.500 Mal in die Tiefen der Meere getaucht. Und fast immer hat er mittlerweile einen Fotoapparat dabei. "Als ich einmal eine Lampe mitgenommen hatte, entdeckte ich die Farben unter dem Wasser", erinnert sich Bunni. Was er dort sah, ließ ihn an die Gemälde der impressionistischen Maler denken: "Da unten finden Sie alle Farben und dann auch noch in 3D. Je nach Sonnenstand und Winkel ändern sich die Farben." Daraufhin fotografierte er auch unter Wasser. Im Jahr 2007 erschien sein erstes Buch: "Der Impressionist der Meere".

Junges, neugieriges Eisbärweibchen

Bei seinem zweiten Buch machten 14 Schriftsteller aus aller Welt mit, die Fotos wurden mit literarischen Texten verbunden. Das Werk trägt den Titel "+/- fünf Meter" und wurde 2011 sogar den Staatschefs beim G-20-Gipfel in Cannes überreicht.

In diesem Band ist auch das Foto, auf das Joe Bunni besonders stolz ist und für das er 2011 mit dem BBC-Umweltpreis zum "Wildlife Photographer of the year" gekürt wurde: Ein Eisbär im Wasser, den Bunni von Angesicht zu Angesicht fotografiert hat. "Das junge, neugierige Eisbärweibchen sah meinen Fotoapparat, sah sich selbst im Objektiv und näherte sich ganz langsam", erzählt er, "ich schoss Fotos und dachte, sie wird wohl anhalten. Aber sie kam näher und näher, bis sie die Augen schloss und mit ihrer Schnauze das Objektiv berührte." Fast wäre er von der Eisbärin also "geküsst" worden: "Als sie merkte, dass das kein Eisbär ist, schreckte sie auf und machte einen Schritt zurück. Ich tat dasselbe."

Regisseur Dominique Hennequin entdeckte die ungewöhnlichen Fotos des Zahnarztes im Internet. Er hatte die Idee zu dem Dokumentarfilm, der von ARTE und dem ZDF in Auftrag gegeben und auch von der Unesco und der "Stiftung Prinz Albert II von Monaco" unterstützt wurde. Ein Jahr lang tauchte Joe Bunni in Begleitung eines Kamerateams in vielen Meeren der Welt.

Der Karatemeister - er hat den schwarzen Gürtel - gerät auch nicht in Panik, wenn Haie von allen Seiten auf ihn zuschwimmen. Er schießt ruhig seine Fotos: ein Tigerhai von oben, ein anderer von unten, dann hat er das Maul im Visier seines Objektivs: "Die Angst muss man überwinden, aber wenn man einmal im Wasser ist, stellt man fest, dass das nicht so gefährlich ist, wie es der Mythos will."

Wasserwelt schützen

Als er aber eine Gruppe Walrosse im Wasser fotografieren will, greift ein Tier an. Ein lebensgefährlicher Augenblick. Die riesigen Stoßzähne der Tiere können das Bein eines Eisbären durchstechen. "Dieser Unfall passierte, weil wir drehten", erklärt Bunni im Nachhinein. Walrosse gingen normalerweise ins Wasser, wenn Menschen sich ihnen näherten. Aber an diesem Tag hätten sie sich so wohlgefühlt in der Sonne, dass Bunnis Begleiter sie nicht einmal mit Lärm ins Wasser hätten bewegen können.

Daraufhin schoss einer in die Luft. "Und damit hat er die Walrosse gestresst", sagt Joe Bunni, der im Wasser tauchte und nichts davon mitbekam. Hunderte Walrosse stürzten also ins Meer, wo Bunni fotografieren wollte. "Da hat mich ein Walrossbulle angegriffen. Ich hatte Glück, er hat mich nur umgeworfen."

Auf seiner Reise um den Globus begegnet Joe Bunni Naturführern, Wissenschaftlern und Umweltschützern. In Südsenegal zum Beispiel zeigt ihm Umweltschützer Haidar El Ali nicht nur unberührte Natur, sondern auch regelrechte "Mangroven-Friedhöfe" - aus dem Wasser ragende tote Stümpfe. Die Hälfte der Mangroven ist in den vergangenen 30 Jahren weltweit verschwunden. Haidar El Ali hat gemeinsam mit der Bevölkerung 202 Millionen Pflanzen eingesetzt und so 17 Hektar Mangrovenflächen erneut begrünt.

Mit dem Film "5 Meter über und unter der Meeresoberfläche" hofft Joe Bunni, seine Botschaft weiter verbreiten zu können: "Alles muss getan werden, um diese Wasserwelt zu schützen, für unsere Kinder, für unsere Enkel, für die Menschheit."