Kassel (epd)Das Bundessozialgericht hat die finanzielle Entschädigung von Kindern erleichtert, die viele Jahre unter sexuellem Missbrauch zu leiden hatten. Sie müssen für den Anspruch auf eine staatliche Opferentschädigung später nicht mehr jede einzelne Handlung der Tat wiedergeben können, entschied am Mittwoch das Bundessozialgericht (BSG) in Kassel. Es reiche aus, dass der Missbrauch "mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit" stattgefunden und zu einem Gesundheitsschaden geführt habe. (AZ: B 9 V 1/14 R)
Dauerhafter Gesundheitsschaden
Um eine Opferentschädigung bekommen zu können, müssen Betroffene einen "vorsätzlichen rechtswidrigen und tätlichen Angriffs" erlitten und einen dauerhaften Gesundheitsschaden davongetragen haben.
Der Anspruch auf Opferentschädigung ist allerdings für lange zurückliegende Taten beschränkt. So können Opfer, die von 1949 bis Inkrafttreten des Opferentschädigungsgesetzes am 16. Mai 1976, eine Entschädigung nur erhalten, wenn sie "allein infolge dieser Schädigung schwerbeschädigt" und bedürftig sind. Für Personen aus den neuen Bundesländern bestehen entsprechende Voraussetzungen auch für die Zeit vor dem 3. Oktober 1990.
Im konkreten Fall hatte eine aus Brandenburg stammende und in München lebende, 1956 geborene Frau Ende 2000 Opferentschädigung beansprucht. Die erwerbsunfähige Klägerin hatte angegeben, dass sie ab dem Alter von fünf Jahren 19 Jahre lang von ihrem Vater regelmäßig vergewaltigt wurde. Im Oktober 1984 kam eine weitere Vergewaltigung durch einen Unbekannten hinzu.
Frau steht Entschädigung zu
Seitdem leidet sie unter anderem an einer posttraumatischen Belastungsstörung und Depressionen. Vier Gutachten hielten die Aussagen der Frau für glaubhaft, auch wenn sie sich nicht mehr im Einzelnen an den Missbrauch durch den Vater erinnern konnte.
Das Land Brandenburg lehnte eine Entschädigung ab, weil die Missbrauchshandlungen nicht genau fixierbar und zu vage dargestellt seien. So habe die Klägerin unterschiedliche Tatzeiträume angegeben.
Das BSG urteilte nun, dass der Frau eine Entschädigung zusteht. Alle Gutachter hätten festgestellt, dass der sexuelle Missbrauch im Elternhaus stattgefunden habe und dadurch die Gesundheitsschäden verursacht wurden. Es reiche aus, dass dies "mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit" feststehe. Die Feststellung der genauen Tathergänge sei nicht erforderlich, hieß es.