Geheimnisvolle Codes auf Luthers Spuren

epd-bild/Klaus Landry
Das Museum "Escape&Museum" in Speyer bietet Rätselspiel zur Reformationsgeschichte.
Geheimnisvolle Codes auf Luthers Spuren
«Escape&Museum» in Speyer
bietet Rätselspiel zur Reformationsgeschichte
Nur mit Teamgeist gelingt der Weg in die «Freiheit»: Das neuartige Live-Escape-Gruppenspiel in Speyer verlangt kluges Kombinieren und gute Zusammenarbeit - und vermittelt dabei viel Wissen über den Reformator Martin Luther.
16.11.2015
epd
Alexander Lang (epd)

Speyer (epd)Der Museumsdirektor ist in heller Aufregung: Es sind nur noch wenige Stunden bis zur Ausstellung. Einige Bilder sind noch in abgeschlossenen Koffern und Transportkisten verstaut. Doch der Kurator ist verschwunden und hat die Codes mitgenommen. Platzt die Ausstellung? Die Uhr tickt: Nur 60 Minuten hat das neue, schnell zusammengewürfelte Kuratorenteam, alle Rätsel über Martin Luther und die Reformation zu lösen, damit alle Bilder rechtzeitig an der Wand hängen.

Immer mehr Spielwütige

Alles nur ein Spiel: "Speyer - Stadt der Protestation" heißt das Gruppenspiel im neuen "Escape&Museum Speyer" in der Altstadt. Bis zu sechs Teilnehmer können sich dort in einem umgebauten Wohnraum spielerisch auf den Weg zum Speyerer Reichstag von 1529 aufmachen. Damals traten die evangelischen Reichsstände erstmals öffentlich für Glaubensfreiheit ein. Der Protest vor dem Kaiser gab den Evangelischen ihren Namen: Protestanten.

Angelehnt ist die Aktion in Speyer an den Spieletrend "Live Escape Games", bei dem die Mitspieler mittels guter Teamarbeit aus einem Raum entkommen müssen. Die aus Japan und den USA stammende Idee zieht seit einigen Jahren weltweit immer mehr Spielwütige in den Bann, erläutert Nadja Pentzlin. Die 30-jährige promovierte Historikerin aus Ingolstadt hat für Speyer - den "Geburtsort des Protestantismus", wie die Pfälzer gerne für sich beanspruchen - eine besondere Version entwickelt: Eine Gruppe ist in einem Raum eingesperrt und muss zahlreichen versteckten Hinweisen zu Luthers Lebensgeschichte nachspüren.

Nur gemeinsam kommt man weiter, eine Stunde ist Zeit. Die Spieler müssen Codes knacken oder Gegenstände miteinander kombinieren. Für jede gelöste Frage - etwa zum Geburtsjahr Luthers, seinem Klostereintritt, dem Thesenanschlag und seiner Bibelübersetzung - bekommt das Team ein Bild. Die Bilderausstellung zeichnet den Weg zur Protestaktion der Evangelischen im Jahr 1529, der sogenannten Speyerer Protestation. Ist sie komplett, gibt es auch den letzten Schlüssel für den Ausgang des Raums in Fußweite zum Kaiserdom: in die "Freiheit".

Magnetische Würfel

Das Spiel rund um Luther und die Reformation ist wohl das erste seiner Art, glaubt Pentzlin, die im schottischen St. Andrews Reformationsgeschichte studiert hat. "Man muss nicht viel zum Thema wissen", sagt die Herrscherin des "Fluchtraums". Aber man könne einiges darüber lernen, vor allem im Blick auf das Reformationsjubiläum im Jahr 2017. Dann ist es 500 Jahre her, dass Martin Luther seine 95 Thesen veröffentlichte, was als Ausgangspunkt für die weltweite Reformation gilt.

Vor allem Jugendlichen sollten "spielerisch Geschichte erleben" können und erkennen, dass die Reformation ein Ereignis von Weltrang gewesen sei, sagt sie. Über einen Computermonitor an der Wand meldet sich Pentzlin aus dem "Off", wenn im Spiel einmal nichts mehr geht: Wenn sich ein Koffer partout nicht öffnen lässt, weil das Team die knifflige Zahlenkombination nicht herausfindet. Oder wenn die Spieler einfach nicht verstehen, wofür die magnetischen Würfel gut sein sollen. "Vielleicht passen die Würfel auf...?", lautet dann der Tipp vom Monitor.

Das Rätselraten unter Zeitdruck verpasse einen positiven Adrenalin-Stoß, sagt Andrea Teucke aus Neustadt an der Weinstraße. Mit viel Spaß und hoch konzentriert löst die 20-jährige Studentin eine Aufgabe nach der anderen und pinnt die Bilder an die Wand. "Das Spiel ist toll - und höchst interessant für Konfirmandengruppen", urteilt auch Pfarrer Wolfgang Schumacher, der Reformationsbeauftragte der pfälzischen Landeskirche.

Die Landeskirche unterstützt das "Escape Game". Auf dem "Europäischen Stationenweg" nach Wittenberg, an dem sich 68 Orte in 19 Ländern mit Aktionen rund um die Reformationsgeschichte beteiligen, wird das Spielangebot eine Speyerer Attraktion sein, kündigt Schumacher an. Auch die von Landeskirche und Stadt entwickelte "Speyer-App" weist darauf hin. Können Spieler auch nach dem Reformationsjubiläum 2017 dem Geheimnis der Reformation im Escape Museum auf die Spur kommen? Nadja Pentzlin gibt sich vorsichtig: "Mal sehen, wie groß danach das Interesse ist." Vielleicht muss man dann Codes zu einem anderen historischen Thema knacken, um seinem zeitweiligen "Gefängnis" zu entfliehen.