In einer am Mittwoch in Bremen einstimmig beschlossenen Kundgebung distanziert sich die EKD-Synode von den judenfeindlichen Aussagen Luthers und anderer Reformatoren. Luthers Empfehlungen zum Umgang mit Juden seien widersprüchlich und hätten Schmähungen und Forderungen nach vollständiger Entrechtung und Vertreibung der Juden eingeschlossen. "Im Vorfeld des Reformationsjubiläums können wird an dieser Schuldgeschichte nicht vorbeigehen", heißt es in dem Text.
Besondere Verantwortung, jeder Form von Judenfeindschaft entgegenzutreten
Das weitreichende Versagen der evangelischen Kirche gegenüber dem jüdischen Volk erfülle mit Trauer und Scham, heißt es. Aus dem Erschrecken über theologische Irrwege und dem Wissen um Schuld am Leid der Juden erwachse eine besondere Verantwortung, jeder Form von Judenfeindschaft entgegenzutreten. Das Reformationsjubiläum biete Anlass zur Umkehr und Erneuerung. "Luthers Sicht des Judentums und seine Schmähungen gegen Juden stehen nach unserem heutigen Verständnis im Widerspruch zum Glauben an den einen Gott, der sich in dem Juden Jesus offenbart hat", bekennt die Stellungnahme.
Bis 2017 werde die evangelische Kirche ihre Haltung zur umstrittenen Judenmission klären, kündigte Synodenpräses Irmgard Schwaetzer am Mittwoch zum Abschluss der Jahrestagung des Kirchenparlaments an. Zum Auftakt der Synode hatte der Präsident des Zentralrats der Juden, Josef Schuster, von der evangelischen Kirche eine deutliche Distanzierung von der Judenmission gefordert. Dieses für die Juden sehr wichtige Thema werde in der Kundgebung der Synode "leider sehr vage" behandelt, sagte Schuster am Sonntag. Die evangelische Kirche erinnert in zwei Jahren an die Veröffentlichung der 95 Thesen durch Martin Luther. Der 31. Oktober 1517 gilt als Ausgangspunkt der weltweiten Reformation.
Luthers Judenfeindschaft gilt als große Belastung für die Geschichte der evangelischen Kirche und wird den Schattenseiten im Wirken des Reformators zugerechnet. In Briefen und Schriften hatte sich Luther wiederholt mit den Juden befasst. In einem Brief vom August 1514 stellte sich der Reformator noch hinter den Humanisten Johannes Reuchlin, der sich gegen die Verbrennung jüdischer Schriften wandte. 1523 veröffentlicht Luther die Schrift "Dass Jesus Christus ein geborener Jude sei". 1538 folgt das Pamphlet "Wider die Sabbather", 1543 die berüchtigte Schrift "Von den Juden und ihren Lügen".
Auch wenn sich keine einfachen Kontinuitätslinien ziehen ließen, "konnte Luther im 19. und 20. Jahrhundert für theologischen und kirchlichen Antijudaismus sowie politischen Antisemitismus in Anspruch genommen werden", heißt es in der Synoden-Kundgebung. Erst nach 1945 sei es zu einem Lernprozess hinsichtlich des Versagens der Kirchen gegenüber dem Judentum gekommen. In der Neubestimmung des Verhältnisses zum Judentum habe die EKD jede Form von Judenfeindschaft verworfen. Entsprechende Äußerungen gebe es in den Verfassungen vieler evangelischer Landeskirchen.