Ein Wunder von Bern

Spieler des FC Weltreligionen Bern
Foto: Vera Rüttimann
Der FC Weltreligionen Bern wurde vor vier Jahren in der Kirchgemeinde Bern-Bümpliz gegründet.
Ein Wunder von Bern
Bei einem Freundschaftsspiel traf die Mannschaft des FC Weltreligionen Bern unlängst auf die Schweizer Schriftsteller-Nationalmannschaft. Der interkulturelle Dialog wurde auf 22 Beinen auf einem Fußballplatz ausgetragen.

Ein paar Dehnübungen noch, dann geht’s los. Die Nervosität muss raus aus dem Körper. Die Spieler des FC-Weltreligionen Bern stehen auf einem Platz, an dem sonst der Berner Ortsverein, der  SC Bümpliz 78, trainiert. Die Mannschaft mit den weißen Trikots und der Aufschrift "Terra sancta tours", in der Vertreter mehrerer Religionen mitspielen, wartet an diesem Nachmittag auf die Ankunft der Schweizer Schriftsteller-Mannschaft. Auch diese Freizeitkicker laufen ein wie die Profis auf und klatschen sich zur Begrüßung freundschaftlich ab. Bevor der reformierte Schiedsrichter Markus Nägeli das Spiel anpfeift, bilden die Spieler des FC Weltreligionen einen Kreis und halten sich verschwörerisch an den Schultern.

Auf der Tribüne bringen die Pressefotografen ihre Zooms in Position. Die meisten sind Freunde der Spieler. Sie haben die Entstehung des FC Weltreligionen von Beginn an miterlebt. Diese bemerkenswerte interreligiöse Initiative wurde vor vier Jahren in der Kirchgemeinde Bern-Bümpliz ins Leben gerufen. Ausgelöst wurde sie durch die Minarett-Abstimmung. Am Abend des 29. November 2009 konnten es einige Berner Pfarrer kaum fassen. Entgegen aller Umfragen und Prognosen hatte die Schweiz der Minarett-Verbots-Initiative der SVP eben mit grossem Mehr zugestimmt. Daniel Krebs sagt: "Wir wollten etwas gegen die ausländerfeindliche Stimmung tun." Der FC Weltreligionen ist kein kirchliches Projekt, sondern ein Verein, der von vielen religiösen Vertretern getragen wird.

Mit dem im letzten Dezember eingeweihten Haus der Religion in Bern, in dem sich eine Moschee, eine Kirche, ein Tempel, eine alevitische Dergâh und ein buddhistisches Zentrum befinden, bestehen enge Bande. Ludwig Spirig, Kommunikationsbeauftragter der Katholischen Kirche Region Bern, sagt: "Das Leitmotiv des FC Weltreligionen ist, einander den Ball zuzuspielen – sowohl im sportlichen wie auch im interreligiösen Sinn." Seitdem gibt’s jedes Jahr Spiele mit Künstlern oder Politikern. Selbst der Lörracher Othmar Hitzfeld schaute bei ihrem Turnier vorbei.

Warm-Up

Einige der Pfarrer, die hier jetzt ihre schwarzen Stollenschuhe schnüren, erfüllen sich mit dem Freizeit-Kick einen Jungentraum. So auch Markus Nägeli, der seit über zwanzig Jahren als Pfarrer im Spital Uster bei Zürich arbeitet und in der Freizeit als Schiedsrichter aktiv ist. "Ein schöner Ausgleich zu meinen Krankenbesuchen und Büroarbeit." Wie Markus Nägeli schätzt auch Seelsorger Daniel Krebs Fußball zudem als eine Sportart, "die Menschen über alle Religionen und Kulturen hinweg verbindet. Da stimme sogar Joseph Blatter zu." Slam-Poet Renato Keiser hingegen fügt hinzu: "Schreiben ist oft eine  einsame Tätigkeit. Beim Kicken lerne ich neue Menschen und ihre kulturellen Hintergründe kennen."

Pfarrer und Schiedsrichter Markus Nägeli.

Bevor das Spiel beginnt, geht’s zum Einlaufen. Auf der linken Seite dehnt sich das Team des FC Weltreligionen die Bänder. Das Team besteht heute aus Personen wie René Bloch, u.a. Professor für Judaistik am Institut für Judaistik an der Universität Bern, der katholische Theologe Ludwig Spirig, Daniel Krebs und Pfarrerin Annemarie Beer. Messmer Giovanni Gjokaj hütet das Tor.

Auf der rechten Seite des Fußballfeldes rückt das  Team aus Schriftstellern die Stutzen zurecht: Darunter sind Autoren wie Patrick Tschan, Präsident der Schweizerischen Literaten-Fußball-Nationalmannschaft, Matthias Weiß und Renato Kaiser. An diesem Tag fehlt allerdings der bekannte Berner Autor Pedro Lenz, der mit dem Buch "Der Goalie bin ig" bekannt wurde.

Pässe, Schlenzer und Finten

Vor dem Anpfiff versprechen beide Mannschaften, fair miteinander umzugehen. Markus Nägeli hat zunächst als Schiri nicht viel zu tun. Mit ruhigen Schritten stolziert der groß gewachsene Mann über den Platz. Der reformierte Pfarrer strahlt Autorität aus. In der ersten Halbzeit sieht er kaum körperintensive Kontakte. Es herrscht zwischen beiden Teams eine respektvolle Atmosphäre. Alle gehen sportlich fair miteinander um, auch mit den Herren, die in schon etwas vorgerücktem Alter ihren Körper über den Platz schieben. Vielleicht hat die Elf des FC Weltreligionen das Fairplay allzu sehr verinnerlicht, ihr Abwehrverhalten ist bescheiden. Dem Sturmlauf der Roten können sie anfangs kaum etwas entgegen setzen. Unbarmherzig werde sie von den dribbelnden Schriftstellern in die gegnerische Hälfte gedrängt.

In der zweiten Halbzeit beginnt das Spiel merklich Fahrt aufzunehmen. Auch die Zuschauer legen sich mit Zurufen ins Zeug. Darunter ist jetzt auch eine Gruppe Hindu-Frauen, die vom nahen Haus der Religionen am Europa-Platz den Weg hierher gefunden haben. Immer wieder gibt es jetzt sehenswerte Aktionen der Weissen, die ein Raunen erzeugen. Daniel Krebs passt flink auf Annemarie Beer, doch Slam-Poet Renato Keiser kann den beiden den Ball abluchsen. Er behält ihn aber nicht lange und verliert die Kugel wieder an Ludwig Spirig. Mit vollem Körpereinsatz passt der auf den Juden Rene Bloch, wo vorne das Tor für den FC Weltreligionen fällt. Endlich, denn manchmal steht ihr Tor offen wie die Himmelspforte.

Freundschaftliche Gesten zwischen den Spielern der beiden Mannschaften nach dem Abpfiff.

Zwischendurch gibt es jetzt ein, zwei etwas unchristliche Body-Checks. Spieler gehen zu Boden. Ansonsten hat der Schiri wenig zu tun. Während die Geistlichen über das Feld flitzen, bricht die Dämmerung über Bern herein. Die Luft ist jetzt kühl, doch die Gesichter von einigen Spielern sind jetzt rot und verschwitzt. Die Kräfte lassen auch bei den Schriftstellern nach. Vergnügt schwatzt der Speaker ins Mikrophon, während auf dem Platz Tore fallen.

Nach dem Spiel ist vor dem Spiel

Schlusspfiff. Der FC Weltreligionen Bern verliert in Bümpliz gegen die Schweizer Schriftsteller-Nationalmannschaft mit 4:5. Bevor es zum gemeinsamen Curry-Essen geht, klopfen sich beide Teams freundschaftlich ab und posieren für die Fotografen. Judaistik-Professor René Bloch hat auch nach dem Spiel noch immer die Symbolik, worum es hier eigentlich geht, im Kopf. Er sagt: "Man spielt sich den Ball zu, lanciert nicht nur Ideen, sondern auch Angriffe und hält dabei dennoch gemeinsame Regeln ein. Vieles, was im Fußball auf dem Feld funktioniert, ist auch zeichenhaft und wichtig für das Zusammenleben mit anderen."